piwik no script img

Kommentar US-WirtschaftEnttäuschte Globalisierer

Kommentar von Nicola Liebert

Obamas Forderung, das US-Konjunkturpaket solle der US-Ökonomie zu Gute kommen, wurde als Rückfall in die Steinzeit skandalisiert. Dabei droht gar kein Handelskrieg.

Fast so groß wie die Aufregung um den Papst ist derzeit, zumindest unter Ökonomen, die Aufregung um Barack Obama. Der neue US-Präsident hat doch tatsächlich zu fordern gewagt, das US-Konjunkturpaket solle der US-Wirtschaft zugute kommen. Man könnte dies als verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler bezeichnen, die wenig Interesse daran haben, dass damit Jobs in der russischen oder koreanischen Stahlindustrie gefördert werden. Doch stattdessen erhob sich großes Geschrei, dies sei ein Rückfall in den Protektionismus - also quasi in die Steinzeit.

Man könnte Obamas Kritikern zugute halten, dass sie eine Weltwirtschaftskrise wie in den 1930er-Jahren verhindern wollen. Damals haben sich die Staaten nach dem Motto "Jeder ist sich selbst der Nächste" voneinander abgeschottet. Der Zusammenbruch des Welthandels hat den Börsencrash von 1929 zur globalen Katastrophe anwachsen lassen. Doch erstens droht gar kein Handelskrieg. Die Verträge der Welthandelsorganisation (WTO) verhindern, das Zollschranken heruntergelassen werden - und daran wollen auch die USA nichts ändern. Zweitens geht es Obama konkret darum, die Konjunktur möglichst wirkungsvoll anzukurbeln - im Unterschied zu 1929. Damals reagierten die Regierungen im Gegenteil mit einem brutalen Sparkurs. Die USA fielen als Konjunkturlokomotive komplett aus.

In Wahrheit befinden sich die Freihandelsfans längst in einem Rückzugsgefecht. Sie müssen miterleben, dass die parallele Liberalisierung der Güter- und Kapitalmärkte mitnichten automatisch Wohlstand für alle oder gar geringere Krisenanfälligkeit bringt. Jetzt rufen sie nach der US-Regierung, die in der Krisenbekämpfung die Führungsrolle einnehmen müsse. So wie nach dem Zweiten Weltkrieg, als die USA den freien Welthandel förderten und dauerhafte Handelsdefizite hinnahmen, um so Westeuropa - nicht zuletzt den Exportweltmeister Deutschland - zu unterstützen.

Doch längst bekommen auch die USA die Nachteile der Globalisierung zu spüren. Im Wutgeheul gegen Obamas Vorstoß scheint sich nun vor allem die Enttäuschung der Globalisierer Bahn zu brechen. NICOLA LIEBERT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • M
    michaelbolz

    Die Qual der Wahl. Die Verschuldung, die sich USA erlauben - wer trägt die ab? Die Generationen kommender Wirtschaftsaufschwünge? Wie vergleichsweise hier in Deutschland? Jetzt alles in der Macht zu stehende zu tun, um die Krise nicht noch weiter zu verstärken, legitimiert global die Regierungen, Systemfehler weiterhin unbeachtet zu lassen?!

    Da werden Dammbrüche mit Wert-Papieren gestopft und immer neu-alte Heilsfiguren dürfen - so oder so scheindemokratisch - "Führer"helden spielen. Holla!

    Warten auf die nächste Flut und sich dabei in euphemistische Selbstverzauberungen zu hüllen - was anderes scheint Mensch nach Jahrtausenden der Selbstverkenntnis nicht möglich.