Kommentar US-Kongresswahlen: Obama, der entzauberte Weltenretter
Zu den US-Kongresswahlen steht der US-Präsident nicht nur innenpolitisch unter Druck. Auch außenpolitisch ist er auf einem neuen Tiefpunkt angelangt.
E r wollte die Welt verändern. Jetzt verändert die Welt ihn. Zu den US-Kongresswahlen 2010 steht Barack Obama nicht nur innenpolitisch, sondern auch auf der weltpolitischen Bühne entzaubert da. Den Friedensnobelpreis, wie vor einem Jahr, würde er heute wohl nicht mehr bekommen.
Obamas jüngste Entscheidung, auf Sanktionen gegen jene Staaten zu verzichten, die Kindersoldaten rekrutieren, markiert einen neuen Tiefpunkt. Schon vor knapp einem Jahr hatte er Pläne, die USA der internationalen Konvention zum Verbot von Landminen beitreten zu lassen, gekippt. Diesmal hat er sich aber nicht einfach davor gedrückt, etwas zu tun. Sondern er hat einen bereits gesetzlich verfügten Beschluss aktiv zurückgezogen.
Ein ums andere Mal macht Obama bei außenpolitischen Entscheidungen den Eindruck, als würden ihm gegenüber den Hardlinern die Argumente ausgehen oder als gäbe er ihnen nach langem Zögern nach. Das gilt nicht nur etwa in Sachen Afghanistan oder Guantánamo, sondern auch für die Ausweitung gezielter Drohnenangriffe auf mutmaßliche Terroristen in Pakistan, Jemen und Somalia, die heute, unter Obama, viel häufiger vorkommen als unter Bush.
Das weltpolitische Ansehen der USA hatte unter George W. Bush schwer gelitten. Dieses Ansehen wiederherzustellen war eines der Ziele, mit denen Obama explizit angetreten war. Bisher ist er damit weitgehend gescheitert. Zu seiner Verteidigung ist nur zu sagen, dass er in einer Zeit extremer politischer und ökonomischer Unsicherheit regiert. Das ist nicht die Zeit, neue Gewissheiten auszurufen.
Dabei gibt es nach wie vor keine Alternative zu den USA, wenn es darum geht, eine globale Führungsrolle zu spielen. Denn weder das skrupellose und autoritäre China noch eine Europäische Union, die sich auf den Erhalt europäischer Privilegien fixiert, und noch weniger jene Achse aufstrebender Diktatoren des Südens sind dazu auch nur im Entferntesten in der Lage.
Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur im Auslandsressort der taz.
Die Zukunft gehört einer verschärften Konkurrenz zwischen regionalen und ideologischen Blöcken, die nichts voneinander verstehen und sich gegenseitig das Recht auf globale Gestaltung absprechen. Obama hat da wenig zu melden. Eine Sarah Palin, die sich in ihrer Ignoranz gefällt, wäre dagegen in dieser Welt der Egoismen zu Hause. Die rechten Protestwähler in den USA zeigen sich ungewollt auf der Höhe der Zeit.
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