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Kommentar Türkei und IsraelMehr als eine Antwort

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Staaten wie Ägypten und Jordanien beginnen, ihr Verhältnis zu Israel neu zu definieren. Ausgerechnet jetzt bricht Ankara demonstrativ mit Jerusalem.

P raktische Auswirkungen wird die Ausweisung des israelischen Botschafters aus der Türkei kaum haben: De facto gibt es schon seit über einem Jahr keine normalen Beziehungen mehr zwischen Ankara und Jerusalem.

Auf der Ebene der politischen Symbolik dagegen ist die Entscheidung kaum zu überschätzen. In einer Zeit, in der sich viele arabische Länder im Umbruch befinden und Staaten wie Ägypten und Jordanien beginnen, ihr Verhältnis zu Israel neu zu definieren, bricht Ankara demonstrativ mit Jerusalem.

So berechtigt die Empörung über die Tötung von neun Aktivisten der Gaza-Hilfsflotte im Mai vergangenen Jahres ist, die jetzige türkische Reaktion ist mehr als eine Antwort auf die Sturheit Israels - es ist eine Neujustierung der türkischen Außenpolitik. Ankara vollzieht nicht nur den Bruch mit Jerusalem.

Jürgen Gottschlich

ist Türkei-Korrespondent der taz.

Die Türkei stößt auch die USA, die hinter den Kulissen auf eine Wiederannäherung der beiden Expartner gedrängt hatten, vor den Kopf. Und lässt die EU ratlos zurück. Freuen über die türkische Haltung wird sich nicht nur die Hamas im Gazastreifen. Auch anderen arabischen Regierungen und vor allem dem Mann auf der arabischen Straße wird signalisiert, wo die Türkei stehen will.

Dabei weiß man in Ankara, dass der israelische Ministerpräsident Netanjahu wohl bereit gewesen wäre, sich zu entschuldigen und eine Entschädigung zu zahlen, wenn er damit nicht die Koalition mit seinem rechtsradikalen Außenminister Lieberman gesprengt hätte. Es war klar, dass die Ablehnung aus Israel nicht so kategorisch war, wie sie nach außen erscheinen mag, und es durchaus Raum für politische Manöver gab.

Doch der türkische Ministerpräsident Erdogan und sein Außenminister Davutoglu sind an einer Reparatur der Beziehungen nicht mehr interessiert. Der aktuelle UN-Bericht war für ihre Regierung nur noch der Anlass, den Bruch mit Israel auch öffentlich zu vollziehen.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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8 Kommentare

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  • S
    Silver

    Das Ganze ist ein populistisches Manoever von Erdogan. Es geht in Wirklichkeit darum, mit der Marine zu fuchteln um den fuer den 21.9. geplanten Beginn der Erdgasbohrungen durch die israelisch-amerikanische Firma Noble im zypriotischen Teil (section 18) des suedlich von Zypern gelegenen Meeresgebietes zu stoppen und die Tuerkei in der Angelegenheit als Machtfaktor zu etablieren. Die Tuerkei argumentiert, dass der Status von Zypern ungeklaert sei. Das angrenzende Seegebiet "Leviathan" wird sowohl von Israel als auch vom Libanon beansprucht. http://www.middleeastmonitor.org.uk/articles/middle-east/2681-the-gas-that-could-ignite-war

  • S
    Sozialpädagoge

    Bis auf Meilenseif sind die Kommentare erstaunlich realistisch. ebenso erstaunlich ist, dass die taz-Zensur sie überhaupt zuliess, habe ich doch presönlich immer wieder anderes erlebt.

    Der Kommentar als solcher ist mal wieder sehr unkritisch, was aber zu erwarten war, denn die taz hat schon lange eine kritische Haltung zu Israel aufgegeben und jede vorausschauende Ansicht in Bericht und Kommentar weitgehend lieber unveröffentlich gelassen.

    Man ist zwar nicht ganz so hart drauf, wie Broder, Kaufmann, der Zentralrat der Juden und ähnliche politisch rechts stehende Fans eines immerwährenden Kriegs, doch man biedert sich im Zweifel lieber den Realitätsleugnungen an, die derzeit opportun sind.

    Auch wenn die Türkei in Vielem durchaus problematisch ist, sie ist hier jedenfalls anständiger als die USA und EU, populär gesagt: Sie hat E... in der Hose.

  • HM
    Harribert Meilenseif

    Das türkische Säbelrasseln gegen den Staat Israel ist Wasser auf den Mühlen vieler bigotten Gutmenschen; Während die Türkei mit massivster Gewalt gegen Kurden, Christen und sonstige Minderheiten vorgeht, während palästinensische Terroristen beinahe täglich unschuldige Israelis verletzen oder töten, während in vielen arabischen Ländern intoleranter, hasserfüllter Mob die Strasse kontrolliert und die Auslöschung der westlichen Welt fordert (und dieses wohl, wenn die Mittel dafür vorhanden wären, auch durchführen würde), regen sich die weltfremden Lehrerstammtischdialektiker in Deutschland über den harten, aber völlig legitimen Einsatz des israelischen Militärs gegen gewaltbereite, islamistische Blockadebrecher auf und gehen gleichzeitig auf ideologischen Kuschelkurs mit islamischer Intoleranz. Mit welcherlei Maß wird hier eigentlich gemessen ? Man fragt sich, wie diese Rotweingürtelbewohner wohl denken würden, wenn sie jeden Morgen damit rechnen müssten, eine Kazam-Rakete ins Frühstücksei geschossen zu bekommen oder auf dem Weg zur Arbeit von Terroristen in die Luft gebombt zu werden.

    Es ist jedenfalls beschämend, was derzeit wieder für ein antijüdischer Ungeist aus Deutscheland zu vernehmen ist.

  • E
    end.the.occupation

    Stimmt, die Türkei sieht sich als eine Regionalmacht mit arabischen und muslimischen Nachbarn, die angesichts des relativen Nachlassens der Macht der USA ein nachlassendes Interesse daran hat gute Beziehungen mit einem dediziert anti-arabischen und anti-muslimischen Staat zu pflegen.

     

    Wenn dieser Bruch tatsächlich real ist/wird - dann werden die USA sicher das ihnen mögliche tun, um das türkische Militär zu einem Putsch zu bewegen. Vermutlich erfolglos - und zum weiteren Nachteil des westlichen Brückenkopfs im Nahen Osten.

     

    PS.: Witzig ist allerdings die zutreffende Qualifizierung von Avigdor Libermann als 'rechts-radikal'. Übertritt Gottschlich hiermit nicht schon die Grenzen der in der taz-Redaktion zugelassenen 'Israel-Kritik'?

  • K
    Korrektorin

    "Jerusalem" soll hier wohl synonym für "israelische Hauptstadt" stehen. Zur Erinnerung, Tel Aviv ist die Hauptstadt. Die türkische Haltung ist eine REAKTION auf ein völkerrechtswidriges, menschenverachtendes und arrogantes kriegerisches Verhalten Israels. Bisher war es so, dass die israelische politische Klasse mit sämtlichem völkerrechtswidrigem Verhalten (ich erspare die Aufzählung) ohne jegliche Reaktion des verbüdeten Westens durchkam. Die USA sind mit Israel sowieso auf Gedeih und Verdeb als Partner verbunden (der Einfluss der Israellobby gehört untersucht), Deutschlands sogenannte Verpflichtung ist bekannt, usw. Mit dieser Unterstützung im Rücken kann Israel tun und lassen was es will. Die türkische Reaktion fällt deshalb aus dem Rahmen, weil hier erstmals ein nicht-arabisches Land auf die Tötung seiner Bürger durch Israel und Israels beschwichtigendes, abwimmelndes, herablassendes Getue mit realen Konsequenzen reagiert. Die USA könnten sich nur aus einem Grunde vor den Kopf gestoßen fühlen: die israelische Regierung zieht den US-Präsidenten Obama nach belieben am Nasenring durch die Manege und tut dagegen - nichts.

    Herr Gottschlich, für Ihre Analyse - setzen, fünf.

  • KI
    Karl Ilnyzckyj

    Frage an Jürgen Gottschlich: Wie würde die israelische Regierung reagieren, wenn morgen türkisches Militär in internationalen Gewässern ein israelisches Schiff kapert und dabei 9 unbewaffnete Zivilisten tötet?

  • TK
    Trotziges Kind

    Es war schon zu erwarten und es wundert mich nicht wie Israel auf der internationalen politischen Bühne aufführt. Wie ein trotziges Kind. Abgesehen davon was Sie mit Palestinänser veranstallten. z.B Geiselnahme der Menschen in Gazastreifen. Missachtung der Menschenrechte, Missachtung des Staatsgrenzens von andere Nationen. Türkei braucht weder Israel noch USA und EU. Wie hat der Autor gesagt "Die Türkei stößt auch die USA, die hinter den Kulissen auf eine Wiederannäherung der beiden Expartner gedrängt hatten, vor den Kopf. Und lässt die EU ratlos zurück." USA und EU mussen nun ihre Israelpolitik neu justieren.

    Zum UN-Bericht: Es ist ein Produkt von USA und EU unterdem Deckmantel UN um Israel vor dem europäischen Gericht in Den Haag zu bewahren. Für Jede gebildete Mann ist es eindeutig. Wenn es so wäre, wie UN-Berichtbehauptet, sind die Seeräuber aus Somalia auch unschuldigt. Sie rauben die Schiffe auch auf internationalen Gewessern sowie Israel.

  • V
    vic

    "Wir werden uns nicht entschuldigen, Entschuldigung ist Schwäche",

    sprach Netanjahu (Quelle: D-Radio Kultur)

    Das klingt für mich nicht nach einem Zeichen des Entgegenkommens.