Kommentar Türkei-Nordiark: Militärschläge bringen nichts
Ersogans Besuch in den USA bringt Bush in die Bredouille - die irakischen Kurden sind Bündnispartner der Amerikaner. Die Türkei sollte sich Existenz eines kurdischen Staates in Nordirak abfinden
Wenn heute der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan US-Präsident Bush trifft, geht es um ein höchst heikles Thema: eine türkische Militäroperation im von den USA besetzten Irak. Das türkische Militär will in den kurdischen Norden des Landes einmarschieren, dorthin, wo die einzig verlässlichen Bündnispartner der Amerikaner, eben die irakischen Kurden, ihr Autonomiegebiet recht erfolgreich verwalten. Diese für Bush höchst unerfreuliche Situation ist entstanden, weil die irakischen Kurden unter Massud Barsani seit Jahren tolerieren, dass die türkisch-kurdische Separatistenorganisation PKK von Nordirak aus Anschläge in der Türkei durchführt.
Die Motive für Barsani, die PKK auf seinem Territorium zu tolerieren, sind vielfältig: Solidarität unter Kurden, die Anerkennung, die die PKK in der nordirakischen Bevölkerung genießt, und nicht zuletzt die Überlegung, die PKK auch für eigene Interessen instrumentalisieren zu können, zum Beispiel als Verhandlungsmasse mit der Türkei. Bislang wehrt sich Ankara dagegen, dass im Nordirak ein autonomer kurdischer Teilstaat besteht, der selbst dann nicht verschwinden wird, wenn die Zentralgewalt im Irak sich wieder stabilisieren sollte.
Der Deal, auf den Bush in Washington hinarbeiten wird, dürfte deshalb so aussehen, dass die Türkei sich langfristig mit der Existenz eines kurdischen De-facto-Staates in Nordirak abfindet und die nordirakischen Kurden im Gegenzug mit der Türkei gegen die PKK zusammenarbeiten. Der erste Schritt wäre, jetzt eine begrenzte türkische Militäroperation zu akzeptieren.
Die türkische Regierung kann sich also Luft verschaffen mit einem Militärschlag. Und Barsani wird wohl seine autonome Kurdenregion letztlich sehr viel wichtiger sein als der Traum vom Großkurdistan, den die PKK als angebliche Befreiungsorganisation für alle Kurden träumt. Langfristig geht die Rechnung für alle aber nur auf, wenn die Türkei ihren Kurden kulturell und ökonomisch so weit entgegenkommt, dass diese die Lust auf einen eigenen Staat verlieren und sich mit gelegentlichen Besuchen im Barsani-Land begnügen.
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