Kommentar Türkei-Kurden: Noch eine verpasste Chance
25 Jahren Repression, Kriegrecht und Ausnahmezustand: Wenn die Türkei nicht endlich mit den Kurden verhandelt, verbaut sie sich den Weg zu einer Lösung.
D ie Debatte um einen Einmarsch türkischer Truppen in den Nordirak hat noch einmal deutlich gemacht, dass die Zukunft der Türkei ganz entscheidend an einer Lösung ihrer kurdischen Frage hängt. Nach wie vor gibt es zu viele Leute im Land, die glauben, man könne die kurdische Frage auf eine militärische Auseinandersetzung mit der PKK reduzieren. Zwar heißt es seit Jahren, man müsse die desolate wirtschaftliche Situation im kurdisch besiedelten Südosten des Landes verbessern, doch es blieb bei Lippenbekenntnissen. Und immer, wenn sich die PKK ruhig verhielt und die Waffen schwiegen - etwa von 2000 bis 2004 -, war von den Beteuerungen nichts mehr zu hören.
Jürgen Gottschlich ist Türkei-Korrespondent der taz und lebt in Istanbul.
Im Gegenteil: Nachdem bei den Wahlen 2002 die kurdische DTP die meisten Städte im Südosten für sich gewann, drehte Ankara den Kommunen einfach den Geldhahn zu und machte so den Wählern klar, dass sie die falsche Partei gewählt hatten.
Auch jetzt denken viele in der Türkei daran, die Abgeordneten der DTP, die seit den Wahlen im Juli auch im Parlament in Ankara sitzen, möglichst schnell ins Gefängnis zu bringen. Die Aufrufe der Kurdenpartei an die anderen großen Parteien im Land, doch endlich gemeinsam über friedliche Konzepte zur Lösung der Kurdenfrage zu diskutieren, bleiben unbeantwortet. Stattdessen heißt es, die Partei müsse sich erst einmal klar von den Terroristen der PKK distanzieren.
Politisch klug ist das nicht. Wenn das politische und militärische Establishment der Türkei verhindern will, dass das Land immer stärker auf eine bürgerkriegsähnliche Konfrontation zusteuert, muss man beginnen, mit den gewählten Vertretern der Kurden zu reden. Es mag bedauerlich sein, dass unter den Kurden in der Türkei kein Nelson Mandela in Sicht ist. Trotzdem muss nun endlich mit den vorhandenen Leuten verhandelt werden.
Auch nach 25 Jahren Repression, Kriegsrecht und Ausnahmezustand hat man es nicht geschafft, Ruhe und Frieden herzustellen. Ohne die Betroffenen als gleichberechtigte Partner ernst zu nehmen, wird dies auch in den nächsten 25 Jahren nicht gelingen.
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