Kommentar "Türk Partei": Bedauerlicher Normalfall der Demokratie
Den existierenden Parteien ist es offenbar nicht gelungen, die Bedürfnisse von Einwanderern anzusprechen. Wenn die sich eigene Nischen suchen, ist das bedauerlich. Aber verständlich.
M an könnte nun zum großen demokratietheoretischen Lamento anheben: Eine Ethno-Partei! Wenn das die Väter des Grundgesetzes wüssten! Um die Gefahren einer politischen Willensbildung entlang ethnischer Grenzen heraufzubeschwören, muss man nicht gleich bis nach Afrika blicken, wo viele Verfassungen ethnisch ausgerichtete Parteien verbieten. Die Jugoslawien-Kriege oder das Dauerscheitern des belgischen Staats tuns auch.
Doch Stop! Wer sich in der Demokratie nicht vertreten fühlt, hat das Recht, seinen eigenen Laden aufzumachen. Den Parteien ist es offenbar nicht gelungen, die Bedürfnisse von Einwanderern anzusprechen. Zwar sitzen von der CDU bis zur Linken Migranten in den Parlamenten, aber Entscheidungsträger wie Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) werden nur wenige. Man wird das Gefühl nicht los, die Parteien wollten es bei ein paar Quoten-Türken zur Wählerakquise belassen.
So lange das Gros des Parteienspektrums Integration als Einbahnstraße beschreibt, auf der man den zu Integrierenden jede Menge abverlangen kann, ohne etwas anbieten zu müssen, werden sich die Objekte dieser Politik darin nicht wiederfinden. Vor allem Akademiker nichtdeutscher Herkunft sind zunehmend genervt vom deutschen Alltagsrassismus. Wenn sie sich ihre eigenen Nischen suchen, ist das bedauerlich. Aber verständlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands