Kommentar Thüringens SPD: Lieber tot als rot
Die SPD in Thüringen ist finster entschlossen, ihren Niedergang in großen Koalitionen weiter zu verwalten. Man muss an ihrem Weitblick gehörig zweifeln.
Es war eine Hoffnung, nun ist sie zerstört. Es wird in Thüringen keine rot-rot-grüne Regierung geben. Die SPD in Erfurt ist finster entschlossen, ihren Niedergang in großen Koalitionen weiter zu verwalten. Wie große ideologische Scheuklappen braucht man eigentlich, um nach dem SPD-Wahldesaster am Sonntag zu übersehen, wie fatal große Koalitionen für die SPD sein können?
Kein Missverständnis. Die Entscheidung muss in Erfurt fallen. Dass viele sich von dort ein bundespolitisches Signal für Rot-Rot-Grün wünschen, ist kein ausreichender Grund für dieses Bündnis. Die Länder sind keine Projektionsflächen, die spiegeln müssen, was die Machtzentralen wollen. Diese Idee hat etwas Autoritäres, Antiföderales. Ausschlaggebend ist, ob in Thüringen zusammenfindet, was zusammengehört. Und da muss man am Weitblick der Thüringer SPD gehörig zweifeln.
Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
Denn landespolitisch passen SPD und Linkspartei, vor allem bei Bildung und Energie, eigentlich bestens zueinander. Rot-Rot wäre, trotz Differenzen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, das Bündnis von zwei sozialdemokratischen Parteien gewesen. Vielleicht ist es genau diese Nähe, die die SPD zu herrischen Abgrenzungsgesten trieb. So forderte sie von Beginn an, dass die Linkspartei nicht den Ministerpräsident stellen darf. Eine schlüssige Begründung dieser Doktrin, die auch außerhalb von SPD-Ortsvereinen einleuchtet, fehlt bis heute.
Irritierend ist nicht nur, dass die SPD blindlings ins politische Abseits rennt, sondern auch, wie. Auch falsche Entscheidungen kann man ja souverän oder stolpernd treffen. Einigermaßen plausibel wäre der Schwenk zur CDU nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Althaus gewesen. Doch Matschie bekundete noch vor drei Tagen, auf den Job des Ministerpräsidenten zu verzichten. Warum? Wir wissen es nicht. Klar ist: So agiert kein selbstbewusster Stratege. Wer so wirr mal rechts, mal links blinkt, hat einfach keinen Überblick mehr.
Wahrscheinlich ist Thüringen mehr als eine regionale Posse. Es ist eine weitere Etappe in dem Niedergang der SPD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bürgergeld-Populismus der CDU
Die Neidreflexe bedient
Pressekonferenz in Mar-a-Lago
Trump träumt vom „Golf von Amerika“
Verkehrsranking
Das sind die Stau-Städte
Anbiederungen an Elon Musk
Der deutsche Kriecher
Habeck-Werbung in München
Grüne Projektion
Änderungen für Instagram und Facebook
Meta-Konzern beendet Faktencheck