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Kommentar T-Shirt-Prozess DänemarkRadikalität und Kommerz

Robert Misik
Kommentar von Robert Misik

Ein dänisches Label steht vor Gericht, weil es T-Shirts mit Farc- und PFLP-Logos verkauft. Wer diese Art von Textil-Solidarität verbieten will, macht sich im "Kampf gegen Terror" lächerlich.

Das heikle juristische Verfahren, dem sich ein linkes T-Shirt-Label in Dänemark gerade stellen muss, wirft nicht nur politische Fragen auf. Das Label "Fighters + Lovers" hatte T-Shirts mit der Aufschrift der kolumbianischen Farc-Guerilla und der palästinensischen PFLP vertrieben und den Reingewinn den beworbenen Gruppen zukommen lassen. Die stehen aber auf der EU-Terrorliste. Nun kann man lange über die Frage debattieren, ob die betreffenden Organisationen einen legitimen Kampf führen und, wenn ja, ob sie dies mit legitimen Mitteln tun. Unabhängig davon muss man aber fragen, ob eine Unterstützung wirklich juristisch geahndet werden soll.

Vor knapp 25 Jahren liefen Politaktivisten in ähnlichen Fällen mit scheppernden Konservenbüchsen rum und sammelten unter dem Motto "Waffen für El Salvador". Heute werden T-Shirts gedruckt, und der Markterlös kommt den Freischärlern zugute. Damit gehen Radikalität und Kommerz eine seltsame Synergie ein, die beide einfärbt.

Am T-Shirt wird die Parole zum Lifestyle-Accessoire. Wer es trägt, will sich als radikal modellieren. Auch das Steigerungskalkül, Charakteristikum der Konsumwelt schlechthin, lässt sich hier aufspüren. Wenn das T-Shirt mit dem Che-Konterfei schon von jedem Softie getragen werden kann, muss, wer als echter Radikaler gelten will, die Dosis steigern. Auch Farc und PFLP sind dann Chiffre eines radical chic, der häufiger auf den Catwalk als in den Gerichtssaal führt.

Oft bedienen sich Politaktivisten bei der Zeichensprache der Modewelt. Doch bald ist der Aktivist vom Labelbetreiber kaum mehr zu unterscheiden. Umgekehrt ist es genauso: Schwer ist es, als kleiner Wäscheproduzent die Aufmerksamkeitsschwelle zu überschreiten. Leichter ist das, wenn man die Produkte zu "Social Fashion" erklärt. Dann wirbt nicht nur die Firma für die Sache - sondern auch die Sache für die Firma.

Wer glaubt, man solle die Unterstützung fernab agierender Freischärler durch solidarische T-Shirt-Händler verbieten, der macht sich im "Kampf gegen den Terror" lächerlich. Schwerwiegende politische Dummheiten sollte man politisch bekämpfen. Minder schwere ignoriert man besser.

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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1 Kommentar

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  • AS
    Angela Schneider

    Die Farc mit dem Verkauf von T-Shirts zu unterstützen, ist reichlich schwachsinnig. Wer da Ärger bekommt, muss sich nicht wundern. Ihre Begründung, nur mit Radikalität auffallen zu können, und das als "minderschwer" abzutun, finde ich aber ähnlich blöd.

    Schauen Sie genau hin, für was die Farc in Kolumbien alles verantwortlich ist. Das ist nämlich auch nicht minderschwer. Dieses Laissez-faire ist genau das, was die Kolumbianer uns Europäern vorwerfen. Mag sein, dass die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gegeben ist, aber in diesem Fall lieber zu viel als zu wenig getan.