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Kommentar SyrienBefreite Zonen schaffen

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Ohne militärische Gegenwehr wird Assad nicht stürzen. Diese Position setzt sich in der Opposition mehr und mehr durch. Und sie ist Teil der Realität.

D ie Münchener Sicherheitskonferenz ist vorbei, die Wut auf die Vetomächte Russland und China allerorten verkündet; nur, wie soll es nun in Syrien weitergehen? Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu hat auf der Konferenz noch einmal bekräftigt, was sowieso bereits länger Politik seiner Regierung ist: syrische Flüchtlinge sind in der Türkei willkommen, niemand wird abgewiesen, jeder unterstützt.

Diese Politik ist auch innerhalb der Bevölkerung nicht strittig, die Solidarität mit den bedrohten syrischen Nachbarn wird von niemandem in Frage gestellt. Doch das rettet zwar Leben, ändert an der Situation in Syrien aber erst einmal wenig. Auch wenn der deutsche Außenminister Guido Westerwelle so tat, als gäbe es mit dem Regime und ihren internationalen Unterstützern noch diplomatischen Spielraum, im Ernst glaubt daran wohl niemand mehr.

Assad wird gehen müssen, die Frage ist nur noch, wie und wie viele Menschen auf dem Weg dahin noch sterben müssen. Es gibt seit längerem Gespräche über "humanitäre Korridore", Pufferzonen entlang der Grenzen zum Schutz von Flüchtlingen und andere Überlegungen, wie ein aktiveres Eingreifen zum Schutz der Bevölkerung aussehen könnte.

Nachdem der Einsatz von Beobachtern der Arabischen Liga gescheitert und vom UN-Sicherheitsrat nichts mehr zu erwarten ist, rückt nun unvermeidlich die "Free Syrian Army" verstärkt in den Focus. Nicht nur US-Senator Liebermann denkt darüber nach, die FSA, die durch Überläufer täglich mehr Kämpfer zur Verfügung hat, besser zu bewaffnen.

Innerhalb der politischen Führung der Opposition wird heftig darüber gestritten, doch die Meinung neigt sich mehr und mehr dazu, dass friedlicher Protest allein Assad nicht zum Abgang zwingen wird. Da niemand offen in Syrien intervenieren will, bleibt die verdeckte Aufrüstung der FSA. Das Ziel wird sein, dass die FSA, wie ja rudimentär bereits geschehen, befreite Zonen schafft, in denen Flüchtlinge sich in Sicherheit bringen können.

Je näher diese befreiten Zonen an der Grenze liegen, umso einfacher wird die Unterstützung von außen. Der Bürgerkrieg in Syrien ist längst Realität, je schneller Assad gezwungen wird zu gehen, umso schneller kann er wieder beendet werden. Und Waffen sind Teil dieser Realität.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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19 Kommentare

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  • W
    Widder58

    Traurig, aber auch dieser Kommentator hat nichts begriffen, worum es in Syrien tatsächlich geht und wer die Gewalt ins Land geschleppt hat.

     

    Die "Einigkeit" der Systemmedien muss, wie im Falle Libyen, wiedermal zu denken geben.

  • L
    libra12

    was wäre wenn u. mr. frost:

     

    Also das Problem, das ich mit dieser Lybien-Berichterstattung habe: da wird von zehntausenden Vermissten und Folteropfern geredet. Das sind für mich Behauptungen, die leer im Raum stehn. Wo sind die Belege dafür, z. B. die Angehörigen der Vermissten und Folteropfer? Bei einer solchen Menge an Ungerechtigkeit sollte doch schon lange ein Aufschrei zu hören gewesen sein. Aber diese Revolution in Lybien kam einfach zu plötzlich. Oder können Sie mich eines besseren belehren und Fakten, Beweise benennen für massenhaftes Verschwinden und Foltern im Lybien Gadaffis?

  • BG
    Bernd Goldammer

    Afghanistan hat nichts gebracht. Libyen hat den höchsten Lebensstandard Afrikas verloren und für die erlangte "Freiheit" muss man sich nun wirtschaftlich ausliefern. Für den Irankrieg laufen die Motoren auch schon warm. Der "TAZsche Beobachter" legt in Deutschland bereits wieder passenden Lunten für den Syrieneinsatz, nach dem Strickmuster des Libyenüberfalls nach missbrauchten UN-Mandat. Hier kommt nur noch eine Seite zu Wort. Der Bürgerkrieg ist dort schon voll in Gang gebracht. Wie in Libyen stellt sich aber die Frage: Wer sind die Aufständischen? Was wollen sie für ihr Volk erreichen? Mit welchen Mitteln? Wer zahlt ihre Rechnungen für Waffen und Munition? Wer trägt die Kosten für die Massen steuernden Smartphones? Keiner weiß, wo die Koordinaten für den Aufstand zusammenlaufen. In Qatar? In den USA? In Europa? Nur eins merkt man: Die TAZ nutzt edle menschliche Gefühle aus, um sich die grünbürgerliche Zustimmung für einen dreckigen Weltkrieg zu erheischen. Das kann nicht gut gehen, weil kein einziger Krieg seine beabsichtigten Ziele erreichen kann!

  • WW
    Was wäre wenn

    Ob sich wir oder überhaupt jemand von aussen in Syrien einmischen sollten, kann man (muss man) diskutieren. Aber bitte nicht mit Argumenten wie "In Libyen sind durch den Krieg viel mehr Menschen gestorben als bisher in Syrien." Natürlich sterben in einem Krieg mehr Menschen als wenn in derselben Zeit niemand von aussen bombardieren würde. Aber langfristig sterben durch die Gewalt des Regimes mehr Menschen. Und bei einem Krieg besteht die Chance, dass nicht nur Unschuldige sterben sondern auch einige der grössten Diktatoren, Folterknechte etc. Wenn man das Regime machen lässt, dann sterben vor allem diejenigen, die für ihre Rechte auf die Strasse gehen. Daran kann doch niemand Interesse haben, der sich sonst für Frieden und Menschenrechte interessiert.

  • MF
    Mr. Frost

    Wie kommt der Peter eigentlich auf die Idee, die angeblichen 50.000 wären MEHR als ein Regime ohne ernsthafte Berichterstattung/Massenmedien zuvor stillschweigend hat "verschwinden" lassen?

     

    Kindlich Naiv?

     

    Haha.

  • V
    vic

    Jetzt das alte Regime wegbomben, um danach mit dem neuen mal wieder unzufrieden zu sein.

    Mehr Waffen = mehr Tote und Verletzte.

    Nein!

  • F
    fred

    @dirk

    die unterstützung der mujahedeen in afghanistan war richtig. "was war wichtiger: das ende der sowjetunion oder ein paar aufgebrachte moslems?"(brzezinski)

  • T
    taztest

    EIN SEHR GUTER KOMMENTAR!

     

    Ich gratuliere Ihnen, Herr Gottschlich, zu diesem hervorragenden Kommentar.

    Er trifft den Nagel auf den Kopf und beschreibt die Realität und die verbliebenen Alternativen in Syrien schonungslos offen.

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • D
    David

    Dieser Artikel zeigt wie tief die Qualität der taz gesunken ist. Die Weltwirtschaft stockt, Peak Oil ist erreicht, überall werden die Schneiden gewetzt und die letzten Resourcen ins Visier genommen. Weder im Irak, noch in Afghanistan, noch in Lybien, jetzt Syrien und morgen im Iran geht es um Menschenrechte oder ähnliches. Kein Hahn kräht nach den Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien oder umliegenden Ländern. Hier geht es nur um die Vorherrschaft um die letzten Reserven der Welt in Zentralasien. Ich empfehle das Buch von Zbigniew K. Brzezinski "The Grand Chessboard" zu lesen. Danach hat man einen anderen Blick auf die Dinge die da kommen...

  • JO
    Jürgen Orlok

    "Der Bürgerkrieg in Syrien ist längst Realität, je schneller Assad gezwungen wird zu gehen, umso schneller kann er wieder beendet werden. "

    Wie wäre es mit der Umkehrung:

    "Der Bürgerkrieg in Syrien ist längst Realität ( angeheizt durch externe Mächte), je schneller die terroristischen Mörder gezwungen werden zu gehen, umso schneller kann er wieder beendet werden."

    Zu den wenigen sicheren Informationen gehört die Ermordung von ca 8 pro-Assad-Demonstranten und eines prämierten Französischen Kollegen.

    Die Videos bei youtube zeigen mörderische Terrorakte, wenn der Sachverhalt gezeigt wird. In anderen werden die Folgen nur der RegierungsSeite zugewiesen.

    Der Bericht der arabischen Beobachter stellt auch ein anderes Bild dar, wie die non-msm-journalists.

    Noch etwas Persönliches:

    ich möchte verstehen, wie man vom Beginn der taz zu dieser heutigen Position kommen kann. Damals gab es wohl nur einen Haufen von "Maulwürfen" bei der taz. Offen sind mir damals keine solche Gestalten begegnet, wie Herr Gottschlich. Also bitte erklären Sie sich !

  • BG
    Bodo Goldmann

    Kriegspropaganda in der TAZ, was neues?

    Kein Wort darüber, das die Mehrheit der Syrer keine

    Einmischung von aussen will, das Assad immer noch

    grosse Unterstützung hat.

    Bewaffnete "Rebellen", unterstützt mit Waffen, Nachrichten, Logistik, greifen Soldaten der Armee an,

    und Bürger, die für Assad sind!

    Ja, in Homs und anderswo werden Menschen brutal zusammengeschlagen, die für Assad sind.

    Und jetzt soll der Bürgerkrieg noch weiter entfesselt werden? Also kein nationaler Dialog, keine

    runden Tische, keine Verhandlungen - sondern Krieg!

    .

    Wo bleiben eigentlich die Nachrichten aus Libyen?

    Warum wird nicht darüber berichtet, wie es jetzt dort

    aussieht?

    .

    Warum wird der Bericht der Beobachter der arabischen

    Liga nicht im Westen veröffentlicht? Ja, es gibt einen Bericht, in dem beide Seiten für die Gewalt

    verantwortlich gemacht werden!

    .

    Und jetzt will die TAZ den Bürgerkrieg eskalieren!

    Weil der rechtsradikale US-Lieberman es auch empfieht!

    .

    Wird die TAZ jetzt eigentlich vom BAK Shalom heraugegeben? Oder von der NATO-Zentrale?

  • T
    tommy

    @Dirk, Hatem: volle Zustimmung, wenn man bedenkt, dass Saudi-Arabien und andere Golfstaaten (also die Ultraislamisten) anscheinend die Aufständischen in Syrien unterstützen, kann man sich wirklich fragen, in wessen Interesse ein Sturz Assads wäre. Und in Libyen wird auch jetzt noch gefoltert, nur berichten die Medien darüber kaum, da es nicht opportun ist.

    Assads Herrschaft mag übel sein, aber wer garantiert, dass die Alternative nicht noch viel schlimmer ist? Zumal es ja anscheinend durchaus noch große Gruppen (nicht zuletzt aus den Minderheiten) gibt, die hinter Assad stehen - wenn die dann nach Beseitigung des Assad-Systems massakriert werden, was ist dann los mit Menschenrechten und all den schönen Worten?

    Sowohl realpolitisch als auch menschenrechtspolitisch ist ein westliches Eingreifen in Syrien ein fataler Fehler.

  • P
    PeterPan

    Juhu, der nächste Krieg, es lebe die globalistische Kriegspropaganda und wir können uns glücklich schätzen, dass die taz an voderster Front im Kampf der Bilder und Texte "mitschießt". Dann können die Genossinnen und Genossen ja bald schon einen Aufruf für den Endkampf gegen Iran publizieren, denn darum geht es ja im Kern, oder?

     

    Seit Ihr wirklich so naiv und dumm zu glauben, es ginge irgendwem um die Menschen in Syrien?

  • I
    imation

    "Da niemand offen in Syrien intervenieren will, bleibt die verdeckte Aufrüstung der FSA."

     

    Als ob das nicht schon sein längerer Zeit passieren würde.

    Ein bisschen spät dran Herr GOTTSCHLICH.

  • HL
    Hauke Laging

    Es sollte allen klar sein, dass diese Variante mehr Opfer fordert (siehe Libyen). Unter den Aufständischen, unter den Zivilisten, womöglich sogar unter den Streitkräften des Gewaltherrschers (gegen einen Trupp Panzer mit Luftunterstützung ergibt man sich eher als gegen leichte Infanterie).

     

    Es wird also verlängertes Leid, viele Tote und hinterher ein Land voller Hass und Waffen ohne Autorität geben. Aber Hauptsache, wir marschieren da nicht ein.

  • NA
    NATO-Zentrale abonniert die TAZ

    Wir bedanken uns für Ihre sehr entgegenkommende und konfluente Berichterstattung und wünschen uns allen einen schönen kommenden Kriegseinsatz!

     

    MfG

  • P
    Peter

    Liebe Taz,

     

    GEHTS NOCH???!!!

     

    "Der Bürgerkrieg in Syrien ist längst Realität, je schneller Assad gezwungen wird zu gehen, umso schneller kann er wieder beendet werden. Und Waffen sind Teil dieser Realität."

     

    Schon mal was von Verhandlungen gehört?! Von dem Wort "Waffenstillstand"?! Vergessen, dass in Libyen dank Militärintervention über 50.000 zivile Todesopfer zu beklagen waren?!

     

    Habt ihr sie eigentlich noch alle, hier unverholene plumpe Kriegsrethorik zu führen?

  • H
    Hatem

    Die Frage ist doch: Ist es überhaupt wünschenswert, dass Assad stürzt?

    Was kommt danach? Wenn man sich den Irak anschaut, auch Libyen, Afghanistan sowies, muss man fürchten: Nichts Besseres.

    Garantiert wird es Rachaktionen bis hin zu Massakern an den Aleviten geben. Und die Christen (19 %9 der Bevölkerung) sind dann ihres Lenbsn vermutlich auch nicht mehr sicher.

    Auf keinen Fall sollte der Westen sich hier militärisch einmischen.

  • D
    Dirk

    Wer die syrische Opposition bewaffnet, bewaffnet letztenendes die Muslimbrüder (im günstigsten Falle) oder al-Qaida-Sympathisanten (im ungünstigsten Fall). Wette, in einem halben Jahr wird sich keiner mehr an das erinnern wollen, was er heute dazu geschrieben hat. Meine Güte, der Westen hat aus Afghanistan in den 80ern nichts, aber auch gar nichts gelernt.