Kommentar Stuttgart 21: Die Weisheit der Bürger
Wo Repräsentanten versagen, muss es direkte Abstimmungen geben. Dürften die Bürger bei Großprojekten über Alternativen entscheiden, wären auch die Planungen einfacher.
I mmer wieder verschleudern Politiker für Prestigeprojekte Milliarden. Zwei aktuelle Fälle stehen exemplarisch dafür: der Bau der Berliner Stadtautobahn A 100 und das Projekt "Stuttgart 21".
In der baden-württembergischen Landeshauptstadt wollen Bund, Land, Stadt und Bahn für 4,1 Milliarden Euro die kompletten Ferngleise der Stadt samt Hauptbahnhof größtenteils unter die Erde verlegen. Unabhängige Experten sind sich einig: Es wird wesentlich teurer werden. Zudem ist seit dieser Woche klar, dass die Landesregierung seit Jahren ein von ihr in Auftrag gegebenes, vernichtendes Gutachten unter Verschluss hält. Dort steht, dass der neue Bahnhof deutlich schlechter sein wird als der alte - die Verantwortlichen, allen voran Ex-Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), behaupten wacker das Gegenteil. Plumper kann man die Bevölkerung nicht belügen. Die beweist mit ihren Demonstrationen und alternativen Konzepten wesentlich mehr Weitsicht und Verantwortung: Sie versteht nicht, warum ausgerechnet in ihrer Stadt so viel Geld investiert werden soll, das in ganz Deutschland für wesentlich wichtigere Bahntrassen fehlt. Ähnlich verhält es sich in Berlin, wo die A 100 für 420 Millionen Euro quer durch den Bezirk Neukölln verlängert werden soll. Verkehrsprognosen für die nächsten Jahre zeigen, dass die Trasse unnötig ist, die Bevölkerung demonstriert und wehrt sich, die SPD will trotzdem bauen.
Wo Repräsentanten versagen, muss es direkte Abstimmungen geben. Nicht in Form von Bürgerbeteiligungen, in denen Betroffene zwar gehört werden, die Entscheidungen aber längst gefällt sind. Die Bürger müssen über Alternativen entscheiden dürfen, bevor Großprojekte beschlossen werden. Dann wären auch die Planungen einfacher, weil es deutlich weniger Widerstand geben würde.
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