Kommentar Stuttgart 21: Papa Ramsauer
In Stuttgart liegt der Ernstfall vor – Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer muss als schlichtender Vater auftreten. Er hat verschiedene Möglichkeiten, das zu tun.
W enn sich Geschwister streiten, sollen häufig die Eltern schlichten. Das ist zwar meist nicht sinnvoll, weil die Kinder so nicht lernen, ihre Konflikte selbst zu lösen - aber im Ernstfall ist es der richtige Weg. Dieser Ernstfall liegt jetzt in Stuttgart vor: Die neue grün-rote Landesregierung Baden-Württembergs will bis zu einem möglichen Volksentscheid im Oktober über das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 einen Baustopp durchsetzen, während die Deutsche Bahn AG rasch weiterbauen will.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) soll nun eine (Zwischen-)Lösung finden - als zuständiger Minister im Bund, dem die Bahn gehört, ist er sozusagen der Papa in diesem Konflikt.
Für Ramsauer ist das keine leichte Aufgabe: Einerseits weiß er, dass es in Deutschland viel wichtigere Bahnprojekte gibt als den milliardenteuren Tunnelbau in Stuttgart, der vor allem der schwäbischen Bau- und Immobilienwirtschaft nutzt. Andererseits hält die Bahn an dem Vorhaben vehement fest - aus Prinzip und weil schon viel Geld verbaut wurde.
RICHARD ROTHER ist Redakteur im Ressort Wirtschaft und Umwelt der taz.
Wie viele Väter könnte Ramsauer den Konflikt seiner Kinder vorerst befrieden - mit Geld, indem er die Zusatzkosten eines Baustopps übernimmt; im Herbst entscheide dann das Volk. Er könnte sich auch auf eine Seite schlagen und die Bahn bauen lassen; in diesem Fall müsste die grün-rote Landesregierung die Bagger der Bahn mit Polizei schützen.
Nach dem Motto "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" könnte Ramsauer den Streit aber auch mit einem erzwungenen Kompromiss beenden. Dabei müssten zwar beide Kinder einstecken, sie könnten aber ihr Gesicht wahren. Diese durchaus sinnvolle Lösung lautet: Der Tunnelbahnhof wird nicht gebaut, aber die Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm wird realisiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen