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Kommentar StudienkostenKleine Bonbons für Akademiker

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

9 Millionen Euro Steuergeschenk für Reiche scheint nicht viel. Doch mit dieser Summe könnte man Zuschüsse fürs Schulessen finanzieren.

D ie Krankenschwester muss also nicht das Studium des Arztes bezahlen. Das Parlament hat die Absetzbarkeit von Studienkosten nahezu geräuschlos wieder kassiert. Diese Milliarde bleibt den Steuerzahlern also erspart. Das ist gut so, auch wenn ein Geschmäckle bleibt.

Noch im Sommer hatte vor allem die FDP laut applaudiert, als der Bundesfinanzhof entschied, dass grundsätzlich auch Kosten für ein Erststudium von der Steuer absetzbar sind. Das hätte bedeutet, dass der Staat bis zu einer Milliarde Euro unter den in der Regel gut verdienenden Akademikern verteilen und diese Summe dann an anderer Stelle wieder einsparen müssen – etwa im Bildungshaushalt.

CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte der Euphorie des Koaltionspartner recht schnell Einhalt geboten, indem er klar machte, das Urteil so nicht umzusetzen. Doch wieder mal machen FDP und Union vor, wie sie vordergründig zum Wohle der Gesellschaft sparen und hinten herum ihrer Klientel ein paar Millionen zuschieben. Nach ihrer Gesetzesänderung wird jetzt nämlich der sogenannte Sonderabzug für Ausbildungskosten von 4.000 auf 6.000 Euro angehoben.

Bild: archiv
Anna Lehmann

ist Bildungsredakteurin der taz.

Ähnlich wie bei den Steuererleichterungen für Hoteliers profitiert auch von dieser Entlastung nur eine kleine Gruppe von Menschen. Der Arzt, der seiner Ehefrau ein Kunststudium spendiert, kann jährlich bis zu 2.000 Euro mehr von der Steuer absetzen. Und einige tausend Studierende, die so gut verdienen, dass sie einen Steuerberater brauchen, können den neuen Freibetrag ebenfalls ausschöpfen. Bei den Kosten schlagen vor allem die Gebühren zu Buche und damit profitieren indirekt auch die privaten Hochschulen, denn nur dort werden Studiengebühren in Höhe von 3.000 Euro pro Semester erhoben.

Angesichts der Milliarden, mit denen das Parlament in dieser Woche jonglierte, könnte man meinen, dass die veranschlagten neun Millionen Euro an Rückerstattung für solche Sonder-Studienkosten Peanuts sind. Doch mit neun Millionen Euro kann man an der richtigen Stelle viel bewirken – etwa den Zuschuss, den die 2,5 Millionen bedürftigen Kinder und deren Eltern fürs Schulessen zahlen müssen, zu kompensieren. Das wäre wirkungsvoller und gerechter als Reiche zu alimentieren.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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6 Kommentare

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  • S
    Südwester

    @Dingenskirchen:

    Ich denke, Frau Lehmann nimmt ihre Überzeugungen aus den Daten des Statistischen Bundesamtes: Im Durchschnitt (nicht in jedem Einzelfall!) sind AkedemikerInnen seltener arbeitslos, verdienen durchschnittlich besser und unter den Studierenden sind Kinder von Nicht-AkademikerInnen unterrepräsentiert. Das lässt ihre Aussagen plausibel erscheinen. Das ist kein Akademikerbashing, sondern eine Beschreibung der Realitäten. Willkommen in der rauhen Wirklichkeit der BRD!

  • FH
    Frank Hell

    Studien- und Ausbildungskosten sollen nach wie vor nur als Sonderausgaben absetzbar sein. Einziges Bonbon: der Höchstbetrag, den die Auszubildenden beim Fiskus geltend machen können, soll bei 6000 Euro im Jahr liegen und nicht wie bisher bei 4000 Euro. Experten nennen das die kleine Lösung. De facto ist sie nicht klein, sie ist mickrig.

    Denn vom Sonderausgabenabzug haben die meisten Studenten schlichtweg nichts. Sonderausgaben kann man nur in dem Jahr absetzen, in dem sie anfallen und man Einkommensteuer zahlt. Das tun Studenten während des Studiums aber kaum.

  • GM
    Gerhart Maier

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    Der Artikel spricht mir aus der Seele. Ich bin Akademiker und fühle mich privilegiert. Ich habe für mein Studium Unterhaltkosten - mit Hilfe meiner Eltern - bestritten, der Steuerzahler die kompletten Studienkosten. Im Ergebnis war ich nie arbeitslos und habe immer mehr verdient als ein Arbeiter - der mit seinen Steuern mein Studium mitfinanziert hat.

  • A
    Apfelsaft

    Ich schließe mich Dingenskirchen an.

    Dieser Artikel strotzt nur so von typisch linken Feindbildern und Klischees.

    Ich finde die Aussagen völlig einseitig und unreflektiert.

    Allein schon der Ausdruck "Die Reichen". Haben Sie schon einmal nachgerechnet, ab welchem Einkommen man per Definition als reich gilt?

  • D
    Dingenskirchen

    Woher nehmen solche Leute wie die Autorin eigentlich immer diese Überzeugung, bei Studierenden und AkademikerInnen würde es sich per se um reiche Menschen handeln? Als ob es nur gut verdienende Ärzte und Anwälte gäbe (man beachte auch die Geschlechterzuweisung Mann beutet Frau aus).

     

    Die Tatsache, dass die Studienkosten nicht mehr von der Steuer absetzbar sein sollen, trifft nicht zuletzt all diejenigen, die nach einem harten, evtl. selbst finanzierten Studium in nicht allzu gut bezahlten Jobs stehen und vielleicht auch mal eine Familie ernähren wollen. Ich kenne nicht wenige AkademikerInnen, die nach einem selbst finanzierten Studium brutto kaum mehr verdienen als eine Krankenschwester mit guter Anstellung. Die ja nach der Logik des Artikels ihre Steuervorteile von der 5,50/Std. Friseurin bezahlt bekommt.

     

    Dieser eklige Sozialneid mit den völlig gestrigen Klischees und das Akademikerbashing in solchen Artikeln bestärkt mich darin, kein taz-Abo mehr haben zu wollen.

  • JS
    Joachim S

    Viele der Studenten die Geld nebenbei verdienen arbeiten auch genug dafür, unter anderem weil ihre Eltern sie nicht unterstützen und diese sich alleine durchschlagen müssen. Und aus versch. Gründen auch kein Bafög erhalten würden.

     

    Inwiefern das prozentual zu sehen ist weiß ich nicht, aber es gibt auf jeden Fall solche Leute die meiner Ansicht nach durchaus berechtigt davon profitieren.

     

    Das viele davon profitieren wo man es als "Ungerechtfertigt" sehen kann will ich aber gar nicht bezweifeln.