Kommentar Steuersenkungen: Erste Schritte der Erkenntnis
Die Mehrheit der Deutschen lehnt die populistischen Steuersenkungen von Union und FDP ab. Endlich. Vielleicht bekommen sie so ein rationaleres Verhältnis zum Staat.
R und 24 Milliarden Euro will die Bundesregierung den Bürgern an Steuern erlassen - und nun lehnt eine deutliche Mehrheit laut einer aktuellen Umfrage ebendies ab. Die Stimmungslage dürfte kaum der Erkenntnis entsprungen sein, ein finanzstarker Staat sei doch nicht so böse wie vielfach propagiert. Selbst Marktradikale sorgen sich schlicht über die Rekordverschuldung und die weiteren anstehenden Krisenkosten.
FDP und Union sind mit der populistischen Behauptung angetreten, großzügige Steuerentlastungen würden schon für den Aufschwung sorgen. Und da die meisten Bürger den Zusammenhang zwischen Steuern und Sozialabgaben eh nicht verstehen, so die Unterstellung, falle dann nicht weiter auf, wenn zur Gegenfinanzierung die Sozialbeiträge steigen.
Dank der Privatisierungspolitik der vergangenen Jahre war der Staatshaushalt schon vor Ausbruch der Krise sehr knapp bemessen. Im EU-Vergleich steht nur in Spanien, Portugal und Griechenland der öffentlichen Hand pro Bürger noch weniger Geld zur Verfügung (bei den Griechen zeigen sich gerade die Folgen). Was hierzulande vom geschrumpften Staatshaushalt übrig ist, wird zum Großteil verschlungen von den Zuschüssen für das Rentensystem.
Auch das Arbeitslosengeld II und Zuschüsse für die Krankenversicherungen machen einen großen Batzen aus. Wird der Topf noch kleiner, bleiben folglich kaum Alternativen, als diese Zuschüsse zu kappen. Wenn Schwarz-Gelb nun also Steuersenkungen verspricht, wird dies auf Kosten des Sozialversicherungssystems gehen: Die Beiträge steigen.
Die Umfrage ist eine Momentaufnahmen; aber vielleicht auch ein erster Schritt der Bürger zu einem rationaleren Verhältnis zum Staat - einem, der finanziell was reißen kann.
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