Kommentar Steueroasen: Jede Dopingkontrolle ist wirksamer
Trotz Finanzkrise verstecken die Reichen und die Banken weiter Billionen in Steuerschlupflöchern. Dabei haben die Staaten die Werkzeuge, sie zu packen.
F ünf Jahre nach dem Ausbruch der gegenwärtigen Finanzkrise richtet sich nun das Augenmerk endlich auf die Verursacher. Aber nur langsam, nie direkt und vor allem: ohne ausreichende Folgen. Nachdem sie die Reichen unter ihrer Regierung entlastet haben, sind SPD und Grüne nun für mehr Steuern bei Reichen. Wer aber sind die Reichen? Wo haben sie ihr Geld und wie kommt man ran? Das ist den meisten Wählern nicht bewusst. Und selbst von Finanzfachleuten gibt es, wenn überhaupt, dann nur schwammige Antworten.
Da kommen die von der Regierung Nordrhein-Westfalens gekauften vertraulichen Daten über Machenschaften der größten Bank der Welt, der Schweizer UBS, gerade recht. Sie liefern nicht nur Namen von Steuerkriminellen, sondern auch Methoden, wie das Geld in die Steueroasen geschafft wird. Dass viel Geld hin und her geschoben wird, kann einem inzwischen jeder Stammtischler vorbeten. Aber welche Bank genau sollen die Behörden anzeigen, welchen Manager? Dafür braucht es Beweise.
Nur wenn hier konkrete Namen auftauchen, sehen alle, dass hier konkret nichts passiert. Denn die großen Banken und ihre Steuerfluchtorte bleiben bisher alle im Spiel. Niemand geht ins Gefängnis. Im Gegenteil: Das Geschäft wächst in der Krise schneller denn je.
ist stellvertretender Chefredakteur der taz.
Es gibt einen Bericht der Anti-Steuerflucht-Organisation Tax Justice Network von Ende Juli dieses Jahres. Demnach ist das bei den 50 größten Banken der Welt verwaltete Vermögen in fünf Jahren trotz Krise um 70 Prozent gestiegen. Im Jahr 2010 lagen bei diesen Banken 13 Billionen Dollar, also 13.000 Milliarden. Nummer eins in der Liste ist die UBS mit knapp einer Billion, Nummer vier ist die Deutsche Bank mit gut 600 Milliarden Dollar Kundenvermögen.
20 bis 30 Billionen Dollar versteckt
Die 13 Billionen sind übrigens keineswegs alles, sondern das Aktenkundige. Das Tax Justice Network schätzt, dass derzeit etwa 20 bis 30 Billionen Dollar in den gut 80 Steueroasen der Welt versteckt werden. Die meisten dieser Oasen sind auch mitnichten klein und weit weg von allem. Sie liegen in Ländern wie den USA, Großbritannien und der Schweiz. Etwa 10 Millionen Menschen weltweit bilden die Klasse, die diese „Offshore“-Zentren nutzt. Die Hälfte der Billionen liegt allein bei den 10.000 Reichsten der Welt.
Man kann mit diesen Zahlen noch eine ganze Weile herumgewittern. Die Beschäftigung damit ist kein ermutigendes Geschäft. Die Hoffnung auf nur einen Funken Steuergerechtigkeit geht schnell verloren, wenn sich Nordrhein-Westfalen über seine gekauften CDs und ein paar Millionen Euro Nachzahlung freut, wo es doch um hunderte Milliarden gehen sollte.
Aber jede Schlagzeile hilft. Denn bisher konnten die Steueroptimierer immer auf den Mangel an konkreten Daten und das schnelle Vergessen hoffen. Die Bundesregierung etwa diskutiert mit großer Ausdauer über den Mittelstandsbauch bei den deutschen Steuerprozentsätzen, verliert aber kein Wort über die Billionen am oberen Ende. 50 Banken und 10.000 Vermögende weltweit drehen das Finanzkarussell. Das sind nicht so viele, als dass man sie nicht erfassen könnte.
Die Mittel sind bekannt
Der Katalog von Maßnahmen ist bekannt und beliebig verlängerbar: Transparenz der Finanzströme, Kronzeugenregelungen für aussagewillige Insider, Druck auf Länder wie Singapur, das sich mit Hilfe von Steuerhinterziehern zum reichsten Land der Welt gemausert hat. In Bereichen wie dem Patentschutz werden kompliziertere Rechtskonstruktionen verwirklicht. Jede Dopingkontrolle ist wirksamer als unsere Finanzregeln.
Die Regierungen der Welt tun nichts Wirksames, weil die Finanziers und ihre Wirtschaft zu viel Einfluss haben, nicht weil Abhilfe unmöglich wäre. Die Banken und ihre Topkunden können nämlich keineswegs beliebig hin und her ziehen auf der Suche nach Rendite und Geheimhaltung. Sie brauchen stabile Rechtsstaaten, wo ihr Geld letztlich landet. Sie müssen ja ihre Ansprüche auf die Zinsen und Eigentumstitel nötigenfalls vor Gericht durchsetzen können. Für den wie auch immer gefüllten Geldspeicher ist die sichere Demokratie dann wieder recht.
Hier kann die Politik sie packen. Sie wird das aber nur tun, wenn die Wähler die Politiker packen. Der Schaden durch die Verbandelung mit der Finanzindustrie muss größer werden als der Nutzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr