Kommentar Stalking-Urteil: Psychoterror ist kein Kavaliersdelikt
Stalking-Opfer gehen auch künftig leer aus. Mit diesem Urteil haben die Kasseler Richter die Chance vergeben, das Entschädigungsrecht sinnvoll weiterzuentwickeln.
W er Opfer einer Gewalttat wird, kann eine staatliche Opferrente und Ausgleich der beruflichen Schäden erhalten. Das sieht das Opferentschädigungsgesetz (OEG) vor. Langjähriger Psychoterror genügt hierfür aber nicht, entschied jetzt das Bundessozialgericht. Stalking-Opfer gehen auch künftig leer aus. Mit diesem Urteil haben die Kasseler Richter eine Chance vergeben. Statt das Entschädigungsrecht sinnvoll weiterzuentwickeln, legen sie es eng und kleinherzig aus.
Der Staat gewährt Opferrenten, weil er nicht in der Lage war, die Opfer von Gewalttaten wirksam zu schützen. Deshalb haben sie besonderen Anspruch auf staatliche Solidarität, auch wenn der Staat den Schaden nicht selbst verursacht hat. Dieser Gedanke aber gilt bei Stalking-Opfern in besonderem Maße.
Wenn ein Stalker sein Opfer über Monate, teilweise Jahre hinweg terrorisiert, erlebt dieses den Staat ebenfalls als ohnmächtig. Dass das Vertrauen des Opfers in den Schutz durch die Rechtsordnung lange Zeit enttäuscht wird, ist beim Stalking fast zwangläufig, weil Polizei und Justiz erst eingreifen können, wenn die Belästigungen exzesshaft werden.
Doch es nützt nichts, nun lange über das Urteil des Bundessozialgericht zu räsonieren. Wenn die Richter sagen, der Wortlaut des Opferentschädigungsgesetz hindere sie an einer großzügigen Lösung, dann muss eben das Gesetz geändert werden. So wie Stalking vor vier Jahren als Straftatbestand eingeführt wurde, so muss der beharrliche Psychoterror nun auch im OEG als Grundlage für staatliche Opferrenten benannt werden.
Stalking ist wirklich kein Kavaliersdelikt. Das sollte der Staat auch dort bekennen, wo es ihn Geld kostet. Zuständige Ministerin ist Ursula von der Leyen, bezahlen müssen am Ende die Länder.
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