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Kommentar: Staatsanwalt lässt Thierse laufenEin peinlicher Freispruch

Kommentar von Sebastian Heiser

Die Staatswanwaltschaft ermittelt nicht mehr wegen der Nazi-Blockade gegen den Bundestagsvizepräsidenten. Die Begründung ist abenteuerlich.

Das sitzt: Bundestagsvizepräsident Thierse ist für die Staatswanwaltschaft kein Krawallbruder Bild: Reuters

Eigentlich ist die Strafe in Sachsen genauso hoch wie in Berlin: Für die Blockade einer erlaubten Demonstration gibt es bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Doch die Anwendung ist unterschiedlich: Der Linken-Fraktionsvorsitzende in Sachsen, André Hahn, soll für seine Teilnahme an der Blockade einer Neonazi-Demo am 13. Februar in Dresden 500 Euro zahlen. Bei Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) will die Staatsanwaltschaft dagegen das Verfahren in einem gleich gelagerten Fall einstellen - doch die dafür gefundene Begründung ist ziemlich abenteuerlich.

Als Thierse am 1. Mai eine Neonazi-Demo in Prenzlauer Berg blockierte, entfernte er sich keineswegs freiwillig - wie die Staatsanwaltschaft behauptet. Tatsächlich blieb er sitzen, obwohl die Polizei ihn mehrfach namentlich aufforderte, die Straße zu räumen. Erst als die Beamten begannen, ihn am Arm wegzuzerren, stand Thierse auf und ging. Von "freiwillig" kann da keine Rede sein.

Ermittlungen eingestellt

Nach der Blockade einer Neonazi-Demonstration am 1. Mai will die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) einstellen. Zwar habe Thierse die Demonstration laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft durch die Blockade grob gestört - das wird laut Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Die Blockade sei aber nur von kurzer Dauer gewesen und Thierse habe sich auf polizeiliche Aufforderung entfernt. Auch das Verfahren gegen die anderen prominenten Blockierer soll eingestellt werden. Neben Thierse hatten sich unter anderem der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland (Grüne), der Integrationsbeauftragte des Senats, Günter Piening, und der Pankower Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) in Prenzlauer Berg auf die Straße entlang der Route der rund 700 Rechtsextremisten gesetzt. (ddp, taz)

Genauso wirr ist auch das Argument der Staatsanwaltschaft, Thierses Blockade habe lediglich 13 Minuten gedauert. Denn erstens stellt Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes jede grobe Störung einer Demonstration unter Strafe und nicht nur besonders lang dauernde grobe Störungen. Und zweitens wäre Thierse - siehe oben - sicher noch viel länger sitzen geblieben, wenn die Polizei sich nicht so schnell um ihn gekümmert hätte.

Die peinliche Begründung der Staatsanwaltschaft hinterlässt den Eindruck, dass hier mit zweierlei Maß gemessen werden soll, um einen der höchsten Repräsentanten des Staates zu schützen. Und das ist nun wirklich keine überzeugende Demonstration des Rechtsstaates.

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3 Kommentare

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  • MI
    Mann im Mond

    Derartige ungleichbehandlung ist doch nichts neues,

    das gabs schon immer,

    und das wird es immer geben.

  • D
    denninger

    Thierse ist keín "Repräsentant des Staates" sondern höchstens "Repräsentant" der Legislative. Und als MdB ist er eh' immun.

    Aber ansonsten hat der Sebastian ja Recht.

    Es kann nicht angehen, dass die Verletzung des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit je nach persönlichen Ansichten ohne strafrechtliche Folgen bleibt.

    Aber, liebe taz, habt Ihr nicht selbst zu solchen Aktionen aufgerufen, Aufrufe verbreitet bzw. darüber ausführlich berichtet und Blockaden wie in Köln, Berlin oder Dresden wohlwollend kommentiert?

    Warum geht Ihr nicht mit gutem Beispiel und einsichtiger Reue voran und spendet die zu erwartende Strafe an den Weissen Ring?

    Ist nur mal so eine Frage vom

     

    denninger

  • AH
    Andreas Hehn

    Sehr geehrte Redaktion,

     

    das Recht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 des GG ist ein hochkarätiges Rechtsgut unserer Verfassung. Als Bürgerrecht deklariert und als Menschenrecht gewährt, steht es all denjenigen zu, die friedlich und ohne Waffen demonstrieren. Also auch denen, die dem einen oder anderen nicht gefallen mögen. Dies ist keine Frage von Geschmacklichkeiten! Herr Thierse hat mit seiner Sitzblockade nicht nur die Arbeit der Polizei erschwert, sondern sein Verhalten stellt einen glatten Rechtsbruch dar! Offensichtlich wird hier allerdings von der Justiz mit zweierlei Maß gemessen. Darüber hinaus habe ich den Eindruck, dass es Thierse in erster Linie auch nur darum ging, sich medial in Szene zu setzen. Wer sein Amt dermaßen missbraucht, ist als Bundestagsvizepräsident nicht geeignet.

     

    Beste Grüße

     

    Andreas Hehn

    Berlin-Spandau