Kommentar Spitzel-Affäre: Was wusste Mehdorn?
Aus der Datenaffäre wird so langsam ein Kriminalfall. Vorstandschef Hartmut Mehdorn steckt in einem klassischen Dilemma.
Die interne Kontrollabteilung der Bahn sollte allmählich mal selbst unter die Lupe genommen werden, denn aus der Datenaffäre wird so langsam ein Kriminalfall. Wenigstens in zwei Fällen hat eine eingeschaltete Detektei die Kontobewegungen zweier Bahnmitarbeiter ausgespäht, die unter Korruptionsverdacht standen. An derlei intime persönliche Daten kommt man legal gar nicht heran. Wenn der Auftrag dafür aus dem Bahntower kam, ist das ein starkes Stück - erst Recht bei einem Bundesunternehmen.
Selbst nach Wochen zeichnet sich nicht ab, welche Kreise dieser Skandal bei der Bahn noch zieht. Die Controller haben im Kampf gegen Korruption - angeblich ohne Wissen des Vorstands - ein Jahrzehnt lang gemacht, was sie wollten. Zigtausende Mitarbeiter wurden ohne deren Wissen überprüft, Führungskräfte und deren Familienangehörige nach bestimmten Kriterien durchgecheckt und Fremdfirmen schmutzige Tricks anwenden lassen. All das geschah im Namen der guten Tat, dem Kampf gegen Kriminelle in den eigenen Reihen.
Vorstandschef Hartmut Mehdorn steckt in einem klassischen Dilemma. Wusste er von den Vorgängen gewusst, muss er die Verantwortung dafür übernehmen - notfalls auch eine strafrechtliche. Stimmt seine Unschuldsbeteuerung, hat er eine wichtige Abteilung des Hauses nicht im Griff gehabt. Das ließe an seinen Qualitäten zweifeln. So oder so müsste der in der Öffentlichkeit umstrittene Manager abgelöst werden. Doch so lange dem Vorstand keine persönlichen Verfehlungen nachgewiesen werden, hält die Kanzlerin an Mehdorn fest. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht - und einen neuerlichen Streit um die Bahn will im anstehenden Wahlkampf niemand ausfechten.
Von "schneller Aufklärung" ist nicht mehr die Rede, obwohl dies angesichts der Vorwürfe angezeigt wäre. Viel spricht dafür, dass die Konzernspitze tatsächlich seit Jahren nicht richtig informiert wurde. Mit etwas Glück kommt der zähe Manager damit durch. Sollte aber rauskommen, dass der Vorstand doch nicht so unwissend war, ist Mehdorn fällig.
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