Kommentar Sozialproteste: Mal auf den Tisch hauen!
Nach dem Frust mit der Sozialdemokratie unter Gerhard Schröder blickten die Gewerkschaften zunächst durchaus milde gestimmt auf dessen Nachfolgerin Merkel. Eine Falle.
S o sympathisch man die Globalisierungsgegner von Attac auch finden mag: Wenn es in ganz Europa um soziale Kämpfe und Verteilungsfragen geht, dann kann es in Deutschland nicht die Aufgabe einiger übrig gebliebener Aktivisten sein, die Fahne hochzuhalten. Dafür gibt es bessere Ansprechpartner. Etwa die über sechs Millionen Arbeitnehmer, die in Deutschland organisiert sind, und deren Vertretungen.
Mit den Regierungsplänen, durch die Hintertür eine Kopfpauschale einzuführen und damit faktisch aus der paritätischen Beitragszahlung auszusteigen, und vor dem Hintergrund der öffentlichen Rentendebatte sowie der lächerlichen Erhöhungen der Hartz-IV-Sätze stünden die Chancen für eine gewerkschaftliche Mobilisierung eigentlich gut.
Doch die Bosse der ArbeitnehmerInnen sind in eine Falle getappt: Nach dem Frust mit der Sozialdemokratie unter Gerhard Schröder blickten sie zunächst durchaus milde gestimmt auf dessen Nachfolgerin Angela Merkel. Als freundlicher Lohn wurden mit Merkels Sparprogramm vor allem die Arbeitslosen geschröpft - Pendlerpauschale und Feiertagszuschläge dagegen blieben erhalten.
Martin Kaul ist Redakteur für "Politik von Unten" bei der taz.
Folgt man dieser sozialpartnerschaftlichen Logik, so ist den Gewerkschaften zu raten, weiter verhältnismäßig still zu stehen. Die Kehrseite dessen ist aber: Genau diese Strategie ermöglicht es Angela Merkel, einen Keil zwischen die sozialen Interessen der Arbeitnehmer und die existenziellen Interessen der Arbeitslosen zu treiben. Wollen die deutschen Gewerkschaften nicht weiter an gesellschaftlicher Relevanz einbüßen, dann müssen sie die soziale Frage - auch in ihren Reihen - endlich offensiv stellen. Das geht aber nicht am Schürzenzipfel der Kanzlerin. Besser wäre es, mal kräftig auf den Tisch zu hauen.
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