Kommentar Solarstrom aus Afrika: Hausdach statt Wüste
Die ökonomische Latte für den Wüstenstrom liegt hoch: Der dezentral erzeugte Solarstrom wird vielleicht für immer die billigere Option bleiben.
D en Spruch hat man in den letzten Jahrzehnten so oft gehört, dass er langweilt: "Solarenergie kann man in der Wüste nutzen, aber doch nicht bei uns." Der Satz kam immer von jenen, denen daran gelegen war, die erneuerbaren Energien zu bremsen. Man versuchte mit Visionen das Naheliegende abzubügeln.
Bernward Janzing ist studierter Geowissenschaftler und arbeitet als freier Journalist in Freiburg. Die Energiemärkte sowie die effiziente - und kostensparende - Nutzung von Energie zählen seit Jahren zu den Schwerpunkten seiner Arbeit.
Bei dem nun geplanten Desertec-Projekt ist die Motivation eine andere - zumindest bei einem Teil der Akteure. Der Münchener Rück und dem Club of Rome kann man glauben, dass sie getrieben sind vom Ziel einer ökologischen Energiewende und nicht vom Streben nach Blockade. Daher verdient das Projekt, Solarkraftwerke in afrikanischen Wüsten zu bauen, eine aufgeschlossene Betrachtung.
Vorsicht ist gleichwohl in einem Punkt angebracht: Es darf keinesfalls passieren, dass die Wüstenpläne dem Ausbau der dezentralen Solarkraft in Deutschland auch nur den geringsten Schaden zufügen. Sollte die Politik eines Tages mit Verweis auf den Saharastrom den heimischen Solarstrom bremsen, wäre das fatal.
Denn auch angesichts der neuerlichen Verheißungen muss man sachlich festhalten, dass die erfolgreichste Technik der Sonnenernte jene auf den Dächern ist. Bereits in drei bis spätestens fünf Jahren wird der Strom vom Hausdach in Deutschland billiger sein als jener aus der Steckdose. Die ökonomische Latte für den Wüstenstrom liegt also hoch: Der dezentral erzeugte Solarstrom wird vielleicht für immer die billigere Option bleiben. Denn die höhere Sonneneinstrahlung im Süden wird die Kosten der gigantischen Übertragungsnetze womöglich nie kompensieren können.
Der bevorzugte Ausbau der heimischen Solarenergie ist folglich zwingend - aus Sicht der Ökonomie wie aus Sicht der Energieautonomie. Denn auch das darf nicht vergessen werden: Als politisches Druckmittel lässt sich der Strom vom eigenen Dach nicht missbrauchen. Im Gegensatz zu jenem aus solaren Großkraftwerken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten