Kommentar Schwarz-Grün in Hamburg: Haltbare Arbeitsteilung
CDU und Grüne wissen: Wenn Schwarz-Grün zur neuen Option im Fünfparteiensystem werden soll, müssen beide Parteien gestärkt aus dem Hamburger Modell hervorgehen.
Bewährungsprobe bestanden. Mit der Wahl von Ole von Beust zum Hamburger Bürgermeister hat die erste schwarz-grüne Koalition auf Länderebene ihre Geschäfte aufgenommen. Und vieles spricht dafür, dass das Zweckbündnis der einstigen Erzfeinde reibungsloser funktionieren wird als die meisten rot-grünen Bündnisse. Denn die Hamburger Koalition etabliert ein neues Kooperationsmodell: Arbeitsteilung statt Schnittmenge.
Koalitionen zwischen SPD und Grünen fußten in Zeiten des Lagerwahlkampfs stets darauf, dass der Fundus politischer Gemeinsamkeiten ausreichend groß war und beide Parteien ihre Stimmen aus verwandten Wählergruppen rekrutierten: Hier rot-grün, dort schwarz-gelb. Doch genau diese Schnittmenge von Themen und potenziellen Wählern etablierte eine Konkurrenz zwischen den Partnern. Fast alle rot-grünen Koalitionen weisen dasselbe Muster auf. Die SPD behandelte den grünen Juniorpartner wie eine unartige Schwester, die es zu erziehen gilt; als politischen Widersacher, dessen Themen besetzt und dessen Wähler wieder zurückgeführt werden müssen in den sozialdemokratischen Mutterschoß. Die Folge: machtpolitischer Dauerzwist zwischen den rot-grünen Koalitionären, die eher gegeneinander als gemeinsam agierten - gefangen im Dauerwahlkampf.
Ganz anders die Voraussetzungen der schwarz-grünen Zweckheirat an der Alster: CDU und Grüne schielen nicht nach denselben Wählern, die thematische Schnittmenge ist begrenzt. Hier geht es um Arbeitsteilung: Die CDU behält den Hut auf in den Bereichen, derentwegen sie gewählt wird: Wirtschaft und innere Sicherheit. Die GAL darf sich bei ihren Leib-und-Magen-Themen profilieren - Ökologie, soziale Stadtentwicklung und Bildung. Und beide Partner wissen: Wollen sie im Fünfparteiensystem Schwarz-Grün als neue Option etablieren, müssen beide Parteien gestärkt aus dem Hamburger Modell hervorgehen. Es geht nicht darum, sich gegenseitig Stimmen abzujagen, sondern darum, die SPD auf Distanz zu halten. Gute Voraussetzungen für eine Koalition, deren Haltbarkeit von erstaunlicher Dauer sein könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestagswahl
Sollten wir strategisch wählen?
Talkshowgast Alice Weidel
Rhetorisches Rollkommando
Forscherin über Demos gegen rechts
„Das ist kein kurzer Empörungsmoment“
Hilfe bei der Wahlentscheidung
Darum ist der „Real-O-Mat“ besser als der „Wahl-O-Mat“
Debatte um Berufsverbot in Bayern
Rechts außen klappt’s mit der Schule
Energieversorgung in Deutschland
Danke, Ampel!