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Kommentar SchulschwänzerThema gründlich verfehlt

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Ein Bußgeld für Eltern von Schulwänzern will Ursula von der Leyen einführen. Das offenbart ein seltsames Menschenbild und löst dabei kein einziges Problem mit der Schule.

S chule schwänzen ist Mist. Und zwar nicht, weil das Kind sich mal ein paar Stunden freinimmt, um ein gepflegtes Loch in die Luft zu gucken. Nein, Schule schwänzen ist deshalb Mist, weil sich das Kind außerhalb erwachsener Kontrolle begibt und auf diese Weise bei Eltern und Lehrern äußerst schlechte Laune bewirkt. Das Reizwort lautet: Kontrollverlust!

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen meint nun, dass Eltern von Schulschwänzern bestraft werden sollten, notfalls auch mit Bußgeldern. „Geldentzug tut weh“, erklärt die CDU-Politikerin in einem Zeitungsinterview. „Wenn wir über Langzeitarbeitslosigkeit reden, ist Schulschwänzen der Anfang“, sagt von der Leyen, „in der Erziehung ist es entscheidend, den Anfängen zu wehren.“

Offensichtlich begreift die Ministerin den Staat als eine Art Erziehungsberechtigten für seine Bürger. Sie räumt ein, dass weder Hartz IV noch das Arbeitslosengeld gekürzt werden dürften, weil die Eltern ihre Kinder nicht ausreichend kontrollieren. Deshalb denkt von der Leyen eher an eine Art Bußgeld, vergleichbar dem Knöllchen für Falschparker. Zur Vollstreckung dürfe man „auch die Polizei nach Hause schicken“.

Bild: Archiv
Anja Maier

ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.

Mal ganz abgesehen davon, wie man sich derlei Einsätze in deutschen Kinderzimmern vorstellen mag – ein Kind, das in seiner Schullaufbahn nicht wenigstens einmal planvoll geschwänzt hat, hat echt was verpasst. Diese irre Mischung aus Furcht und Überschwang, auch derlei Gefühle gehören zur Menschwerdung.

Über die Kernfrage aber, warum manche Kinder in diesem Land keinen Bock haben, zuverlässig ihr Bildungsinstitut aufzusuchen, sollte die Arbeitsministerin vielleicht besser mit Vertretern der Kultusministerkonferenz und der Sozialverbände reden. Gerade gehen die Ferien zu Ende, von Vorfreude hört man eher wenig.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

15 Kommentare

 / 
  • N
    NQbus

    Super, da hat Alberich ja wieder die ultimative Idee zur Rettung des Nibelungenhorts gehabt. Aber vorher bitte ein Bußgeld für Debattenschwänzer im Deutschen Bundestag, von - sagen wir - 80% des Einkommens. Da bleibt z.B. bei einem Ministergehalt ja immer noch etwa 22mal soviel über, wie ein Hartz IV-Empfänger als Regelsatz hat, reicht also noch locker für's feudale Leben.

    Und Ober-GDPler Wendt sei gesagt, daß Jugendkriminalität vielleicht mit Schulschwänzen anfängt, aber - das lehrt die Geschichte - eine kriminelle Karriere findet meist mit der Berufung in ein politisches Amt Ihre Vollendung.

  • H
    Humbug

    Was ist mit den Parlamentsschwänzern aus der Politik, die sich mehr für ihre Nebeneinkünfte interessieren, als im Parlament zu erscheinen? Die Politiker sollten ihrem Stimmvieh mal mit gutem Beispiel vorangehen.Sie müssten auch selbst mal büßen! Selbst die von der Leyen hat in der Schule anscheinend auch geschwänzt, sonst würde sie merken, welch dummer Haufen sich in der Politik rumtreibt. Wahrscheinlich hat sie nicht gelernt das Maßlosigkeit einer der sieben Todsünden ist und letztendlich die Demokratie zerstört-, das dumme Huhn.

  • S
    Sara

    In den meisten Bundesländern gibt es solche Bußgelder längst, Jugendrichter schicken die Schwänzer in den Jugendknast, in Bayern schleppt die Polizei Schwänzer zwangsweise in die Schule zurück. Ob sie da dann auch brav lernen oder sich bei der nächsten Gelegenheit wieder verabschieden, spielt keine Rolle, taucht ja nicht in der Statistik auf.

     

    Das sind nicht nur Maßnahmen, die bei einem großen Teil der Schulschwänzer nichts ausrichten, sondern auch Maßnahmen, die es schon lange gibt.

     

    Absolut lächerlich, dass sich Frau von der Leyen jetzt hinstellt und solche Forderungen verbreitet. Riecht stark danach, dass sie einfach nur ein x-beliebiges Thema gesucht hat, um mal wieder mit ein paar markigen Sprüchen Medienpräsenz zu zeigen, finde ich ziemlich armselig.

  • JL
    Johannes Lehnert

    Frau von der L.: "Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuldig", heißt eine Novelle von Franz Werfel. "...der Schulschwänzer ist schuldig", sagen Sie: „Wenn wir über Langzeitarbeitslosigkeit reden, ist Schulschwänzen der Anfang“. Nein, nein und nochmals nein! Welches Verdrehen der Wahrheit! Wenn in der Biografie einer Familie die Langzeitarbeitslosigkeit die Regel wirdt, beginnt das nicht mit dem Schulschwänzen! Der Schwänzer ist das Ende der Kette, nicht der Anfang. -

    Eine Wirtschaftspolitik, die den Menschen vergisst und nur dem Diktat der Finanzindustrie nachgibt, die nicht mehr die Solidarität und die Verantwortung an höchste Stelle setzt, sondern der Religion der freien Marktwirtschaft frönt, produziert die Langzeitarbeitslosigkeit. Dort ist die Sünde, nicht beim Schulschwänzer und auch nicht bei seinen Eltern!

  • IF
    ich fass es nicht

    Sehr geehrte Frau Von der Leyen,

     

    bitte nehmen sie sich zwei Sabbat Jahre, damit sie geduldig Zeit für ihre eigenen sieben Kinder oder ihre Enkelkinder haben.

     

    Dann lernen sie viel fürs Leben und ich wette, danach nehmen sie ihren Hut und machen zehn Wanderjahre, wo sie sich bei denen entschuldigen, denen sie Schreckliches angetan haben.

     

    Sieben Kinder sollte man nicht verlassen sondern von ihnen lernen.

     

    Und von jedem einzelnen Schulschwänzer, mit dem sie sich geduldig persönlich beschäftigen, lernen sie fürs Leben.

     

    Aber wie war das mit der Regierung? Wir brauchen sie nicht mehr, da sie dümmer ist, als die, die sie vera.... soll.

     

    Machen sie es so wie die Bildungs Ministerin, geehrte Frau vdL.

    Alles Gute.

  • M
    Marlene

    Werte Frau von der Leyen,

     

    fragen Sie doch mal die betreffenden Schüler höchstpersönlich nach ihren Gründen fürs "Schwänzen".

    Da dürften Sie garantiert sehr interessante Antworten bekommen.

     

    Nur habe ich die Befürchtung, dass Sie gar nicht an der Wahrheit des (für manche Schüler grausamen) Schulalltags interessiert sind.

     

    Also verstecken Sie sich lieber hinter Sanktionen.

     

    Dabei könnte ehrliches Interesse an den Schüler so viel mehr bewirken als Bußgelder.

  • W
    wauz

    Recherche tot Not!

     

    Zwar liegt Frau Maier in der Tendenz richtig, doch hätte etwas Recherche zum Thema dem Kommentar gut getan. Sachverstand schadet in Sachfragen nie.

    Es fängt damit an, dass einmalige Abwesenheit in den meisten Schulen noch nicht als Problem wahrgenommen wird. Darüber hinaus haben die Bundesländer schon Bußgeld-Möglichkeit bei Missachtung der Schulpflicht. Nur: es nützt nichts!

    Wenn Kinder und Jugendliche öfters die Schule nicht besuchen, steckt dahinter schon eine massive Problemlage. Da sind die Eltern nicht mehr die, die das Problem lösen können. Schulschwänzen ist ja auch ein Abbruch der Kommunikation. Und das betrifft meist nicht nur die Schule, sondern auch das Elternhaus. Wenn also Schule, Eltern und Kinder nicht mehr miteinander klarkommen, ist das Problem schon so weit gediehen, dass keiner der Beteiligten es mehr alleine lösen kann.

    In Bayern werden potentielle Schulschwänzer von der Polizei kontrolliert, um dann bei der Schule zwangsvorgeführt zu werden. Das wäre an sich gar keine blöde Idee, wenn denn Sozialpädagogen und andere professionelle Kümmerer eingeschaltet würden, die dem Problem auf den Grund gehen und es lösen helfen. Leider ist aber gerade die bayrische Staatspolizei für Übergriffe bekannt. So landen oft auch ertappte Schulschwänzer statt in der Schule im Krankenhaus und werden dann von übereifrigen Staatsanwälten und Richtern noch wegen Widerstandes angeklagt und verknackt. Schon haben wir die perfekte Kriminalisierung!

    Frau Maier hätte das alles wissen können, hätte sie ein bisserl recherchiert. So aber bleibt an ihr der gleiche Vorwurf hängen wie an Frau von der Leyen: sie labert nur um rum, ohne Ahnung von der Sache...

  • E
    emil

    ja was denn nun, schulschwänzen ist wild und frei und eine erfahrung wert, oder muss es sanktioniert werden?

     

    als nächstes kommt, dass jede/r mal einen vollrausch gehabt haben sollte, dabei aber bitte weder sich noch andere verletzen oder wie?!

     

    gehört alles zum menschwerden dazu? ich fürchte, das ist ihre ganz private setzung!

  • NG
    [Name Gelöscht]

    "Offensichtlich begreift die Ministerin den Staat als eine Art Erziehungsberechtigten für seine Bürger."

     

    Tja, das wird wohl daran liegen, dass die Schule ein neben die Eltern tretender Erziehungsträger ist, wie aus Artikel 7 Grundgesetz folgt. Daraus folgt auch die Zulässigkeit der Schulpflicht in Deutschland. Die Einhaltung der Schulpflicht obliegt den Eltern. Und Schulpflichtsverletzungen können durch die Aufsichtsbehörden nun mal mit einem Bußgeld geahndet werden, genauso wie z. B. Verletzungen der Meldepflicht eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die mit einem Bußgeld bestraft werden können. Ob man das nun alles für richtig hält oder nicht, sei dahingestellt.

     

    Unabhängig davon betrifft das Problem des schwänzens ganz sicher nicht die von der Autorin beschriebenen Fälle, in denen eben ein oder zweimal in der gesamten Schulzeit die Schule geschwänzt wird. Das Problem sind die regelmäßigen Schulschwänzer. Bei der Suche nach der Ursache dieses Problems hilft allerdings auch nicht der pauschale Hinweis auf die fehlende Vorfreude nach den Ferien. Es ist doch völlig normal, dass nach 6 Wochen Ferien die Freude verhalten ist, auch wenn die Kids normalerweise gerne in die Schule gehen.

     

    Ich sehe hier nur einen Kommentar ohne echten Inhalt - alles in allem Thema gründlich verfehlt, Frau Maier.

  • F
    Faraday

    Gibts das nicht schon? Ich kann mich erinnern, dass ich mal Bussgeld zahlen und Sozialstunden leisten musste wegen Schulpflichtverletzung, ist aber schon paar Jahre her. Achja geschadet hats nicht, weder das Schwänzen noch das Bussgeld.

  • H
    hellseher

    Das Verhängen von Bußgeldern bei notorischer Schulverweigerung ist seit geraumer Zeit üblich. Und es gibt recht viele Beispiele, dass dieses Vorgehen den Eltern half, verbindliche Strukturen für ihre Kinder zu schaffen.

     

    Der Kommentar ist also, genauso wie der "Vorstoß" der Ministerin überflüssig und ärgerlich.

  • DB
    Dietmar Brach

    Bevor man die Frage nach dem Sinn und der Wirksamkeit eines solchen Bussgeldes diskutiert, muss die Frage erlaubt sein, ob es denn überhaupt rechtlich möglich wäre. Die Antwort lautet hier klar und deutlich: Nein

    Auch hier hat Frau von der Leyen, wie schon bei dem Vorschlag Hartz IV Empfänger zu Erziehern auszubilden, sich nicht richtig über die Rechtslage informiert. Auch wenn es an jeder Baustelle Gegenteiliges behauptet wird, Eltern haften nicht für ihre Kinder. Eine Bestrafung der Eltern wegen Schulschwänzens wäre überhaupt nur dann möglich, wenn den Eltern nachgewiesen wird, dass sie ihrer Aufsichts und Fürsorgepflicht nicht ausreichend nachgekommen sind. Die Eltern können z.B. nicht einen 14 oder 15 Jährigen täglich zur Schule begleiten. Wenn die Kinder morgens pünktlich das Elternhaus verlassen dann aber nicht zur Schule gehen, dann trifft die Eltern soviel oder sowenig Schuld wie die ebenfalls an der Erziehung beteiligten Lehrer.Da die Sippenhaft kein Bestandteil unseres Rechtssystems ist, wäre eine Strafe nur dann möglich und sinnvoll, wenn die Eltern etwa ihr Kind bewusst vom Unterricht fernhalten.

    Es ist langsam unerträglich wieviele Stammtischparolen unsere derzeit verantwortlichen Politiker verkünden. Kein Wunder, dass immer mehr Gesetze vom Verfassungsgericht aufgehoben werden müssen.

  • DB
    Dietmar Brach

    Bevor man die Frage nach dem Sinn und der Wirksamkeit eines solchen Bussgeldes diskutiert, muss die Frage erlaubt sein, ob es denn überhaupt rechtlich möglich wäre. Die Antwort lautet hier klar und deutlich: Nein

    Auch hier hat Frau von der Leyen, wie schon bei dem Vorschlag Hartz IV Empfänger zu Erziehern auszubilden, sich nicht richtig über die Rechtslage informiert. Auch wenn es an jeder Baustelle Gegenteiliges behauptet wird, Eltern haften nicht für ihre Kinder. Eine Bestrafung der Eltern wegen Schulschwänzens wäre überhaupt nur dann möglich, wenn den Eltern nachgewiesen wird, dass sie ihrer Aufsichts und Fürsorgepflicht nicht ausreichend nachgekommen sind. Die Eltern können z.B. nicht einen 14 oder 15 Jährigen täglich zur Schule begleiten. Wenn die Kinder morgens pünktlich das Elternhaus verlassen dann aber nicht zur Schule gehen, dann trifft die Eltern soviel oder sowenig Schuld wie die ebenfalls an der Erziehung beteiligten Lehrer.Da die Sippenhaft kein Bestandteil unseres Rechtssystems ist, wäre eine Strafe nur dann möglich und sinnvoll, wenn die Eltern etwa ihr Kind bewusst vom Unterricht fernhalten.

    Es ist langsam unerträglich wieviele Stammtischparolen unsere derzeit verantwortlichen Politiker verkünden. Kein Wunder, dass immer mehr Gesetze vom Verfassungsgericht aufgehoben werden müssen.

  • P
    Pubertär

    Tja, nicht alles im Leben macht Spaß. Sie sind jung, Frau Maier, aber solche pubertären Ergüsse wie die Ihren entschuldigt das nicht. Peinlich.

  • S
    Semilocon

    Die Gründe für das Schwänzen scheinen der Frau Leyen auch völlig egal zu sein. Dass man nicht schwänzt, weil man später Arbeitsloser werden will, sondern weil man Probleme in der Schule hat, ist ja auch egal, ne? Mobbing, Prügel auf dem Schulhof, manchmal auch sexuelle Belästigung durch Lehrer oder Mitschüler, dazu noch niemanden zum reden, das führt zum Schwänzen. Diese Schüler in die Schule zwingen, wo sie ihre Psyche weiter zerstören lassen müssen, ist da eher kontraproduktiv.