Kommentar Schulschwänzer: Thema gründlich verfehlt
Ein Bußgeld für Eltern von Schulwänzern will Ursula von der Leyen einführen. Das offenbart ein seltsames Menschenbild und löst dabei kein einziges Problem mit der Schule.
S chule schwänzen ist Mist. Und zwar nicht, weil das Kind sich mal ein paar Stunden freinimmt, um ein gepflegtes Loch in die Luft zu gucken. Nein, Schule schwänzen ist deshalb Mist, weil sich das Kind außerhalb erwachsener Kontrolle begibt und auf diese Weise bei Eltern und Lehrern äußerst schlechte Laune bewirkt. Das Reizwort lautet: Kontrollverlust!
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen meint nun, dass Eltern von Schulschwänzern bestraft werden sollten, notfalls auch mit Bußgeldern. „Geldentzug tut weh“, erklärt die CDU-Politikerin in einem Zeitungsinterview. „Wenn wir über Langzeitarbeitslosigkeit reden, ist Schulschwänzen der Anfang“, sagt von der Leyen, „in der Erziehung ist es entscheidend, den Anfängen zu wehren.“
Offensichtlich begreift die Ministerin den Staat als eine Art Erziehungsberechtigten für seine Bürger. Sie räumt ein, dass weder Hartz IV noch das Arbeitslosengeld gekürzt werden dürften, weil die Eltern ihre Kinder nicht ausreichend kontrollieren. Deshalb denkt von der Leyen eher an eine Art Bußgeld, vergleichbar dem Knöllchen für Falschparker. Zur Vollstreckung dürfe man „auch die Polizei nach Hause schicken“.
Mal ganz abgesehen davon, wie man sich derlei Einsätze in deutschen Kinderzimmern vorstellen mag – ein Kind, das in seiner Schullaufbahn nicht wenigstens einmal planvoll geschwänzt hat, hat echt was verpasst. Diese irre Mischung aus Furcht und Überschwang, auch derlei Gefühle gehören zur Menschwerdung.
Über die Kernfrage aber, warum manche Kinder in diesem Land keinen Bock haben, zuverlässig ihr Bildungsinstitut aufzusuchen, sollte die Arbeitsministerin vielleicht besser mit Vertretern der Kultusministerkonferenz und der Sozialverbände reden. Gerade gehen die Ferien zu Ende, von Vorfreude hört man eher wenig.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens