Kommentar Schlecker-Frauen: Das Unwort des Jahres
Mit der FDP gibt es keine Staatliche Hilfe für Dienstleistungs-unternehmen mit vielen Frauenarbeitsplätzen. Dabei wäre eine Transfergesellschaft eine Hilfe gewesen.
D ie vielen tausend Kündigungsbriefe lagen schon lange bereit, am Donnerstag wurden sie versandt. Die 11.000 von Kündigung bedrohten Schlecker-Mitarbeiterinnen sind ab April arbeitslos. Sie werden sich am Montag bei den Arbeitsagenturen melden müssen. Der Altersdurchschnitt der Frauen liegt bei Ende vierzig. Viele haben Familie und sind regional gebunden.
Es war ein FDP-Landespolitiker, der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil, der sich am Ende querstellte, obwohl das finanzielle Risiko, sich an einer Bürgschaft in Höhe von insgesamt 70 Millionen Euro zu beteiligen, für jedes beteiligte Bundesland überschaubar gewesen wäre. Zeil erklärte laut Medienberichten, mit Schlecker keinen „Automatismus“ für staatliche Hilfen bei künftigen Insolvenzen schaffen zu wollen.
Was frech ist, denn bisher ist von „Automatismen“, Frauen in der privaten Dienstleistung in Insolvenzen zu helfen, nichts bekannt. Mit seiner Blockade hat Zeil aber gewissermaßen einen FDP-Präzedenzfall geschaffen: Staatliche Hilfe für Dienstleistungsunternehmen mit vielen Frauenarbeitsplätzen gibt es nicht. Nicht mit der FDP.
Man darf zwar nicht verschweigen, dass auch eine Transfergesellschaft nur eine Übergangslösung gewesen wäre. In einer Transfergesellschaft hätten die Frauen eine zielgenauere Weiterbildung und etwas mehr und länger Lohnersatzleistung bekommen, jetzt hingegen kriegen sie nur Arbeitslosengeld und die Qualifizierung von der Bundesagentur. Mit dem Eintritt in die Transfergesellschaft hätten sie zudem den Anspruch auf eine Abfindung verloren.
ist Redakteurin für Soziales im taz-Inland-Ressort.
Dennoch wäre eine Transfergesellschaft eine Hilfe gewesen. Stattdessen müssen sich die Frauen weitere Hässlichkeiten gefallen lassen. Der Insolvenzverwalter warnt die Entlassenen davor, Kündigungsschutzklagen einzureichen. Kämen Klagen in hoher Zahl, könnte dies „massiv den verbleibenden Schleckerfrauen schaden“, ließ er verlauten.
Abgesehen davon, dass „Schleckerfrauen“ das Unwort des Jahres werden sollte, ist ein solcher „Solidaritätsappell“ beispiellos: Die Gekündigten sollen nicht klagen, um für die verbliebenen Exkolleginnen die Chance auf einen Investor nicht zu schmälern. So werden Schwache gegen Schwache aufgehetzt. Wäre es um eine Männerbranche gegangen, hätte sich ein Insolvenzverwalter so was wohl nicht getraut. Eklig.
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