Kommentar SPD-Parteitag: Kein Wunder, nirgends
Steinmeier wirkt in der Rolle des Angreifers fehlbesetzt. Und der Fall Opel zeigt: Der Tanker SPD kann nicht einfach so einen neuen Kurs einschlagen.
STEFAN REINECKE ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
Die SPD weiß momentan nicht, wie ihr geschieht. Eigentlich war alles genau geplant: Bei der Europawahl sollte der Abstand zur Union verkürzt werden, auf dem SPD-Parteitag Frank-Walter Steinmeier als selbstbewusster Konkurrent von Angela Merkel auftreten. Opel erschien als das ideale Spielfeld, um das ausgebleichte Image der Partei der kleinen Leute aufzupolieren. Mit zu Guttenberg gab es einen idealen Gegner, unerfahren und dröhnend selbstbewusst, um den Kampf gegen Schwarz-Gelb einzuläuten. Ein Glücksfall, wie 2005 Paul Kirchhof.
Doch die SPD ist in eine Falle gelaufen - und Steinmeier wirkt in der Rolle des Angreifers fehlbesetzt. Er mag, wie auf dem Parteitag angedeutet, die Balance zwischen moderaten und scharfen Tönen noch finden - das zentrale Problem der SPD bleibt: Wie motiviert sie ihre müde Anhängerschaft?
Wie kompliziert das ist, hat exemplarisch das Opel-Engagement gezeigt. Wer mit Staatsbürgschaften Arbeitsplätze rettet, so das SPD-Kalkül, wird als Anwalt von Gerechtigkeit und Gleichheit gelten - gerade weil zuvor die Banken großzügig bedacht wurden. Doch offenkundig verstehen viele Wähler die Opel-Rettung als das genaue Gegenteil: nämlich als Sozialklientelismus. Die Großen werden gerettet, die Kleinen gehen unter, heißt es. Mit nichts hatte die SPD weniger gerechnet, als sich mit dem Fall Opel den Vorwurf einzuhandeln, Ungerechtigkeit und Ungleichheit zu vergrößern.
Die Kritik an der SPD im Fall Opel ist größtenteils tendenziös und unsachlich. Aber sie zeigt, dass der Tanker SPD nicht einfach so einen neuen Kurs einschlagen kann. 2005 gelang dem Agendakanzler Schröder in letzter Minute das Wunder, sich als Hüter des Sozialstaats zu inszenieren. Doch da trat Angela Merkel noch als Marktradikale auf. Und Wunder lassen sich nicht planen.
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