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Kommentar Rot-GrünGrimmiger Wahlsieger

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die SPD hat ein Mobilisierungsproblem: Wenn die Sozialdemokraten die nächste Regierung anführen wollen, müssen sie Schwarz-Gelb entschiedener Paroli bieten.

S PD und Grüne haben in Kiel die Chance, mit der Dänenpartei SSW zu regieren. Es ist knapp, aber möglich. Schwarz-Gelb ist, trotz der wundersamen Wiederkehr der FDP, out. Das wird auch bei der Bundestagswahl so bleiben. Die Linkspartei befindet sich im Westen in einem Abwärtsstrudel. In Düsseldorf kann Rot-Grün trotz Piraten-Hype am nächsten Sonntag auf eine eigene Mehrheit hoffen.

Die rot-grünen Aussichten spiegeln offenbar die Stimmung: Gerechtigkeit und soziale Sicherheit stehen hoch im Kurs. François Hollande hat in Frankreich zudem gezeigt, dass auch etwas farblose, aber vertrauenswürdige Sozialdemokraten siegen können. Sie müssen nur die richtige Balance zwischen Pragmatismus und dem Versprechen finden, die Bürger vor den Erschütterungen des außer Rand und Band geratenen Finanzkapitalismus zu schützen.

Steht in Deutschland also eine rot-grüne Renaissance bevor – mit der SPD als „strategischem Zentrum“, wie Sigmar Gabriel fröhlich verkündet? Eher nicht. Der SPD-Chef feiert zwar entschlossen die „drastischen Gewinne“ der Sozialdemokraten in Kiel. Doch Fakt ist, dass die Partei sogar ein paar tausend Stimmen weniger bekommen hat als beim Wahldebakel 2009. Wenn man das SPD-Resultat genauer anschaut, versteht man, warum Gabriel so grimmig darauf beharrt, Wahlsieger zu sein. Die CDU war im Norden in zerzausten Zustand und ohne Machtperspektive. SPD-Mann Torsten Albig hatte fantastische Sympathiewerte.

Bild: taz
Stefan Reinecke

ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

57 Prozent wollten ihn als Ministerpräsident, noch nicht mal die Hälfte den CDU-Mann de Jager. Rot-Grün war in Umfragen die einzige Koalition, für die sich eine Mehrheit erwärmen konnte. Ein populärer Kandidat, heftige Wechselstimmung – alles sprach für einen rauschenden Sieg für Rot-Grün. Allein – viele SPD-Sympathisanten hatten dann doch keine Lust, wählen zu gehen.

Auch wenn die Operation Dänen-Ampel gelingt und Albig Ministerpräsident wird – die Wahl im Norden hat ein dramatisches Problem der SPD offengelegt. Es gelingt ihr, auch bei glänzender Ausgangslage, nicht, ihre Anhängerschaft zu mobilisieren. Der SPD fehlt dazu die scharfkantige Attacke und eine überzeugende Erzählung, was sie anders machen will.

Angela Merkel hat die Union weichgespült in der Mitte positioniert. Atomenergie und, wenn auch nur als Mogelei, den Mindestlohn hat sie als Themen abgeräumt. Die Kanzlerin will lautlos an der Macht bleiben. Bis jetzt ist der SPD dazu weder personell noch inhaltlich viel eingefallen. Bei der Eurorettung stimmte Rot-Grün stets mit Schwarz-Gelb.

Wenn die Sozialdemokraten die nächste Regierung anführen wollen, müssen sie Schwarz-Gelb entschiedener Paroli bieten, sich vehement für eine hohe Reichensteuer, das Ende der einseitigen Sparpolitik und harte Finanzmarktregulierungen einsetzen.

Das ist riskant – aber immer noch besser als im Schlafwagen Richtung große Koalition zu rollen. Einen scharfen Oppositionskurs müsste die SPD allerdings jetzt einschlagen – als Wahlkampfmanöver 2013 wird sie ihre wahlmüde Klientel kaum überzeugen. Und im Bundestag gibt es keinen SSW, der Rot-Grün retten könnte.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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10 Kommentare

 / 
  • E
    end.the.occupation

    >> Der SPD fehlt dazu die scharfkantige Attacke und eine überzeugende Erzählung, was sie anders machen will.

     

    Äh, aber gehört es nicht zum Credo unseres taz-Rasputins, dass die SPD es genauso wie alle anderen 'Parteien der Mitte' machen soll?

     

    Ist nicht 'Bloss keine Experimente!' DAS Lebensmotto Stefan Reineckes?

     

    Man wundert sich ...

  • S
    Schiba

    Die Todsünde der SPD - machtstrategisch betrachtet - war 2005 ihr Eintritt in die große Koalition. Bei den nächsten Wahlen fiel sie dann auf 23% zurück.

    Dabei bot sich 2005 folgende Lage: man hatte eine strukturelle Mehrheit Mitte/Links von 54% - aber die SPD leidet seit jeher an einer Partei Raison. Die lautet: niemals mit den Linken, obwohl 80% Übereinstimmung zwischen den Parteiprogrammen herrscht - und da, wo keine Übereinstimmung herrscht, etwa beim Militäreinsatz in Aphganistan - hat sich letztlich die Position der Linken bewahrheitet.

    Dass die Linke nun im Westen absäuft und von einem Chaosverein abgelöst wird, entspricht den Wirrnissen und Verbiestertheiten der deutschen Mentalität: Die Piraten werden indes als die interessant verlorenen Kinder der Eigenheime geradezu hofiert von der politisch medialen Klasse wie einst Judith Herrmann vom bürgerlichen Feuilleton. Für die Linke bleiben hingegen ein paar Schlagworte, mit denen man sie immer wieder ohne inhaltliche Diskussion ins Abseits drängen kann.

  • JK
    Juergen K.

    Ja,

     

    wenn denn der Sympathiesant keinen Sinn darin sieht,

    wer denn da sonst?

     

    SPD ? Wozu ?

     

    Weil sie

     

    DAS SELBE besser machen kann als Mutti ?

    DAS SELBE wie Mutti ?

     

    Und was erhofft sich der Author des Artikels ?

    Dass

     

    DAS SELBE scharfkantiger wird ?

  • S
    saalbert

    Wer jahrelang jemanden wie Schröder hofiert hat, der als einer der wenigen "aus dem Westen" ani Putins Vereidigung für eine dritte Amtsperiode als russischer Präsident eingeladen war, darf sich nicht wundern, dass die Menschen eine Partei nicht wirklich mögen, deren höchster Ex-Repräsentant offensichtlich gut mit politischen Verbrechern kann.

  • R
    reblek

    "Schwarz-Gelb ist, trotz der wundersamen Wiederkehr der FDP, out." - So, so, eine Partei, die ca. 43% ihrer Stimmen verloren hat, ist "wundersam wiedergekehrt"?

    "In Düsseldorf kann Rot-Grün ... auf eine eigene Mehrheit hoffen." - "Eigene Mehrheit"? Ist das ein Verein, was da als "Rot-Grün" bezeichnet wird? Erinnert sich niemand an das Gequatsche der SPD von der "eigenen Mehrheit", als die Grünen noch grün waren, nicht in Kriege gezogen sind und keinen Sozialabbau à la Straftäter Hartz mitgemacht haben?

    "Doch Fakt ist, dass die Partei sogar ein paar tausend Stimmen weniger bekommen hat als beim Wahldebakel 2009." Sieh mal an, das las sich doch bei der FDP ganz anders.

    "in zerzausten Zustand" - Rettet dem Dativ!

    "Der SPD fehlt dazu die scharfkantige Attacke und eine überzeugende Erzählung, was sie anders machen will." - Wen will ein Verein "überzeugen" können, der, siehe oben, in Kriege hat ziehen lassen, "Sozial"-Gesetze, die entsprechend aussehen, nach einem verurteilten Straftäter benannt und in Jahrzehnten alles mitgemacht hat, was die CDU wollte, weil sie keine Ahnung davon hat, was "Opposition" sein könnte. "Mist" hat Müntefering sie genannt, weil er unfähig dazu war.

  • P
    Petra

    Was für eine Katastrophe Rot-Grün für die kleinen Leute ist, haben die beiden Pateien von 1998 bis 2005 zum allgemeinen Entsetzen vorgeführt, als sie an der Bunddesregierung waren und den schlimmsten Sozialabbau im Nachkriegsdeutschland vollzogen haben.

     

     

    Wo ist da der Unterschied zu Schwarz-Gelb?

    Nie wieder Rot-Grün!

     

    Linkspartei oder Piratenpartei stehen in Wahrheit allein zur Wahl, weil nur sie etwas anderes zum Wählen bieten.

  • R
    Rainer

    Blödsinn dieser Beitrag! Die FDP ist wieder reingekommen

    weil diese Partei von den deutschen Medien in einer unglaublichen Art und Weise gehypt wurde!

    Das ganze nennt man MEINUNGSMACHE!

    Genau das Gegentei hat die Linke erfahren.Sie wurde von den Medien so gut wie tot geschwiegen und ist deshalb auch heraus geflogen.

     

    Schlimm was in diesem Land alles möglich ist!

    Siehe auch zum Thema diesen ausgezeichneten Beitrag

    hier:

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=13127

  • K
    Karin

    "Die rot-grünen Aussichten spiegeln offenbar die Stimmung: Gerechtigkeit und soziale Sicherheit stehen hoch im Kurs."

     

    Genau, und dann wird's wieder wie bei Gerhard. Ach Kinder, war doch schön ... und so gerecht und sozial ...

  • H
    Hotmali

    "Die rot-grünen Aussichten spiegeln offenbar die Stimmung" - lustig.

     

    Rot ist kontinuierlich am sinken und die Grünen sehen so alt aus wie Frau Künast bei Jauch ...

     

    Rot-Grün wohl eher ein Ladenhüter, der nervt und

    langsam zu stinken anfängt.

  • A
    Alexander

    Vielleicht hat die SPD in Wirklichkeit eher das Problem?

     

    Ggf ist das Problem der SPD:

    "Die Amtsträger und Funktionäre sind erkennbar genausogut wie UNION und FDP."

     

    Was tun? Partei auflösen?

    Parteinamen abändern? Oder wie macht man Leute Politik für Banken, Privatiers und Großkonzerne à la :

    -Sozialabbau HarzIV,

    -in Regierungsverantwortung kein Mindestlohn durchgesetzt, -"Rettungs"Geld für Banken mitgetragen etc. etc.

    schmackhaft?

     

    GGf ist das Problem, wenn ich schlechte Politik will, dann habe ich ja schon viele andere Parteialternativen.