Kommentar Romahass in Ungarn: Tief eingenistet
In Ungarn hat sich der Rassismus gegen die Minderheit der Roma tief eingenistet und erfährt fast keinen Widerstand. Wenn der Staat nicht aktiv wird, werden weitere Roma sterben müssen.
D ie ungarische Gesellschaft fühlt sich von marschierenden uniformierten Glatzköpfen weniger bedroht als von der "Zigeunerkriminalität" - ein Ausdruck, der auch manch honorigem Professor allzu schnell von den Lippen gleitet. Erst jetzt, nach der Festnahme von vier Tatverdächtigen, wurde zugegeben, dass die Mordserie an ungarischen Roma eindeutig rassistische Hintergründe hat.
Dieser Meinung ist nun zumindest Ungarns Polizeipräsident József Bencze. Obwohl die Umstände der Taten schon lange vorher klar in Richtung Rechtsextremismus wiesen, hatten die Kollegen des Polizeipräsidenten ausgiebig über die Konflikte innerhalb der Minderheit spekuliert. Wucherische Geldverleiher oder Familienfehden vermuteten sie hinter den Gewalttaten.
Da half es auch nichts, dass alle Opfer "anständige" Roma waren, also Leute, denen keine Verwicklung in Einbrüche oder Erpressungsaffairen, wie sie der Volksgruppe gerne und zum Teil zu Recht nachgesagt werden, vorgeworfen wurde. Zudem wurde diese antiziganistische Stimmung von rechten Hetzblättern, die man an jedem Kiosk kaufen kann, aufgeheizt.
Seit der Gründung der rechtsextremen Magyar Gárda hat sich diese Grundhaltung gegen die rund sieben Prozent der Einwohner ausmachende Volksgruppe noch verschärft. Die Partei Jobbik, deren paramilitärischer Arm die inzwischen verbotene Magyar Gárda ist, kam bei den jüngsten EU-Wahlen auf knapp 15 Prozent.
Roma werden zwar nicht mehr körperlich gebrandmarkt und ihrer Pferde beraubt. Doch noch in den 1990er-Jahren gründeten sich Elterninitiativen, um Romakinder von den Schulen ihrer Kinder fernzuhalten. Bürgermeister zahlten den Clanchefs "Wegziehprämien". Auf solchen Stimmungen baut der Rechtsextremismus auf, der sich mit Anti-Roma-Parolen mitten in der Gesellschaft eingenistet hat und kaum auf Widerstand trifft.
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