Kommentar Rheinland-Pfalz: Kein Kuscheln mit Kurt Beck
Die jungen Grünen wollen "knallhart" mit Beck verhandeln. Und hoffentlich auch die Kraft finden, die alten Quertreiber aus den eigenen Reihen vom Hof zu jagen.
N atürlich profitierten auch die Grünen in Rheinland-Pfalz (RLP) von der Atomkatastrophe in Japan. Das Wahlergebnis von 15,4 Prozent katapultiert die Partei aus der außerparlamentarischen Opposition heraus wohl direkt an den Kabinettstisch von Regierungschef Kurt Beck. Allerdings wurde ihnen schon vor Fukushima ein Stimmenanteil von mehr als 10 Prozent prognostiziert.
Dafür hart gearbeitet haben die paar Grünen, die nach dem Desaster von 2006 - die Partei flog aus dem Landtag - den maroden Landesverein übernommen und von Grund auf modernisiert haben: etwa die beiden neuen Landesvorsitzenden Eveline Lemke (Jg. 1964) und Daniel Köbler (Jg. 1981). Die Protagonisten des angestaubten, eher linksorientierten und erfolglos vor sich hin dümpelnden Landesverbands "verflüchtigten" sich - neben der programmatischen Erneuerung die Grundvoraussetzung für den Wahlerfolg.
Jetzt aber sind sie (fast) alle wieder da. Schließlich werden bald Minister- und Staatssekretärsposten vergeben. Und als ob nichts geschehen wäre, übernehmen die Altvordern auch wieder das Kommando. Ulrike Höfken (MdB) etwa, Jg. 1955, die im Landtagsflurfunk schon als Chefin eines neuen Superministeriums gehandelt wird. Sie kündigte noch am Wahlabend Sondierungsgespräche auch mit der CDU an - ohne Absprache mit dem grünen Wahlsiegerduo Lemke/Köbler, das eigentlich nur mit der SPD verhandeln wollte.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT ist Rheinland-Pfalz-Korrespondent der taz.
Für viele Grüne der alten Schule in RLP ist Beck ein "rotes Tuch". Sie litten früher neben ihm auf den Oppositionsbänken wie (Haus-)Tiere und misstrauen ihm bis heute. Die jungen Grünen nicht. Aber sie werden trotzdem "knallhart" (Köbler) mit Beck verhandeln. Und hoffentlich auch die Kraft finden, die alten Quertreiber aus den eigenen Reihen vom Hof zu jagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl