Kommentar Residenzpflicht: Überholte Vorschriften
Ohne Änderung des Bundesrechts kann die Residenzpflicht nicht abgeschafft werden. Berlin und Brandenburg sollten jetzt eine Bundesratsinitiative starten.
W as für ein Fortschritt es für die Flüchtlinge gewesen wäre: Wenn Brandenburg und Berlin die Residenzpflicht wie geplant aufgehoben hätten, hätte das mehr Bewegungsfreiheit und mehr Sicherheit für die Flüchtlinge bedeutet. Sie hätten die Freiheit gehabt, aus den Asylbewerberunterkünften in Brandenburg jederzeit nach Berlin zu reisen, ohne dafür jedes Mal erst eine Genehmigung einholen zu müssen.
Doch jetzt haben die beiden rot-rot regierten Bundesländer festgestellt, dass ihre Pläne an der Realität scheitern: Ohne eine Änderung des Bundesrechts geht es wohl doch nicht.
Wenn die beiden Länder über eine Bundesratsinitiative eine Änderung des Bundesrechts versuchen, hat das auf den ersten Blick wenig Aussicht auf Erfolg. Schließlich muss man dafür auch Länder überzeugen, die von Union und FDP regiert werden. Und bei denen ist die Argumentation, dass die Residenzpflicht gegen die Menschenrechte der Asylbewerber verstößt, zwecklos.
Doch zum Ziel führen könnte, dass die Bürgerlichen in den vergangenen Jahren Migranten zunehmend als Ressource sehen: Sie sollen die Alterung der Gesellschaft aufhalten, den Fachkräftemangel ausgleichen und sich in die Gesellschaft integrieren.
Die Jahre, in denen Flüchtlinge in Heimen untergebracht und in ihrem Landkreis eingesperrt werden, sind aus dieser Sicht verlorene Jahre. Nur mit frühzeitigen Deutschkursen und einer guten Ausbildung können Flüchtlinge zu einer wertvollen Ressource werden. Nur mit Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit können sie zu selbstbewussten Mitgliedern der Gesellschaft werden. Wenn Union und FDP es unter diesen Aspekten betrachten, dann müsste es eigentlich auch im Bundestag und Bundesrat eine klare Mehrheit für die Abschaffung der Residenzpflicht geben.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
Trump, Putin und Europa
Dies ist unser Krieg
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Die Wahl muss wohl nicht wiederholt werden