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Im Bezirk Gries hat die KPÖ mit 26 Prozent der Stimmen sogar die ÖVP überholen können.
Damit ist die Kommunistische Partei die Stärkste in Gries und hat alle anderen Parteien dort hinter sich gelassen.
"Kopiert werden kann das Vorbild nicht", steht da zu lesen. Wieso das so sein sollte, hat sich mir aus dem Text heraus allerdings nicht erschlossen. Es wurde bisher noch nicht kopiert, nur so viel scheint fest zu stehen. Ist also der "Rest" Österreichs eine Insel der Glückseligen ganz ohne Wohnungsnot und andere Miseren? Oder haben die österreichischen Kommunisten nur ganze zwei Politiker, die sich mit "Handfestem" befassen, persönlich glaubwürdig und zugleich engagiert sind? Wer authentisch bleibt und sich nicht verzettelt, der kann viel erreichen. In Graz ganz bestimmt, aber womöglich auch anderswo. Es käme halt auf den Versuch an.
Die Parteien der Mitte meinen, mit empathischer Kümmerergeste „das Ossi“ für sich gewinnen zu können. Sie sollten sie lieber zum Mitwirken auffordern.
Kommentar Regionalwahl in Graz: Eine singuläre Erscheinung
Die Grazer Kommunisten demonstrieren seit Jahren, wie man mit einem einzigen Thema Profil gewinnen kann. Kopiert werden kann das Vorbild nicht.
Graz tickt anders. Dort sind Kommunisten nicht nur salonfähig, sondern sogar Sympathieträger. Die KPÖ, die überall sonst in der Republik durch Vergreisung auszusterben droht, ist in der Hauptstadt der Steiermark eine prägende Kraft und ein Sammelbecken für Proteststimmen. Das hat sie bei der Gemeinderatswahl am Sonntag, bei der sie mehr als 20 Prozent der Stimmen erhielt, wieder eindrucksvoll bestätigt.
Die Grazer Kommunisten demonstrieren seit eineinhalb Jahrzehnten, wie man mit einem einzigen Thema Profil gewinnen kann. So wie die FPÖ monothematisch gegen Zuwanderer trommelt, setzt die KPÖ fast ausschließlich auf das von anderen Parteien vernachlässigte Thema Wohnen. Die Diktatur des Proletariats ist ihr kein Anliegen, es geht um Handfestes.
Nachdem ihr Vertreter Ernest Kaltenegger 1998 das Wohnungsressort im Stadtsenat übernahm, verbesserte sich die Lebensqualität für die Grazer Unterschicht spürbar. Substandardwohnungen wurden saniert, Mietwucher bekämpft, ein Mieternotruf eingerichtet. Kalteneggers Nachfolgerin, die 51-jährige Elke Kahr, setzte diese Politik fort. Sie steht auch bezüglich persönlicher Glaubwürdigkeit in der Tradition Kalteneggers. Mit ihrem eigenen Gehalt speist sie einen Mieterfonds, aus dem in Notfällen Rechtsberatung oder unbürokratische Unterstützung finanziert werden. Damit hat sie auch ein zweites Thema besetzt: Sauberkeit in Zeiten grassierender Korruptionsskandale.
Aber das Grazer Vorbild konnte nicht einmal von den eigenen Parteisektionen in anderen Städten und Bundesländern kopiert werden. Mit Ergebnissen unter oder knapp über ein Prozent kommen KPÖ-Leute woanders gar nicht in die Nähe von Machtpositionen, die es ihnen erlauben würden, in der Realpolitik Duftmarken zu setzen. Deswegen werden die Grazer Kommunisten wohl auch in Zukunft eine singuläre Erscheinung bleiben. Und Proteststimmen werden in Österreich weiterhin die Rechte stärken.
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Kommentar von
Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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