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Kommentar Regierungssprecher SeibertDie heile Welt der Kungelei

Kommentar von Steffen Grimberg

Der bisherige ZDF-Moderator Seibert tritt seinen neuen Job als Regierungssprecher an. Seine Berufung ist kein Skandal - die seines Vorgängers zum BR-Intendanten schon.

Bäumchen wechsle dich: Ulrich Wilhelm (links) wird Journalist und Steffen Seibert Regierungssprecher. Bild: dpa

S eit Mittwoch haben sie beim Bundespresseamt einen neuen Chef. Steffen Seibert, bislang eine der journalistischen Galionsfiguren des ZDF, tritt seinen Posten als Regierungssprecher an.

Dabei ist es bezeichnend, dass in der Öffentlichkeit und in den Medien die Personalie Seibert für mehr Aufmerksamkeit sorgte und vor allem deutlich kritischer diskutiert wurde als der Jobwechsel des Mannes, den Seibert nun an Angela Merkels Seite ersetzt. Dass man für den Posten des Regierungssprechers einen Spitzenjournalisten holt, ist weder ein Skandal noch bedenklich. Dass der ehemalige Regierungssprecher Ulrich Wilhelm 2011 Intendant beim Bayerischen Rundfunk wird, schon.

Natürlich gibt es in Deutschland zu Recht keine Berufsverbote (mehr). Doch der alte Satz, dass nicht alles, was legal ist, auch richtig ist, trifft für Wilhelm zu. Offiziell mag ein Regierungssprecher "nur" beamteter Staatssekretär auf Zeit sein - und damit Teil der Verwaltung, nicht der Regierung. In der journalistischen Praxis taugt diese bemühte Differenzierung aber nicht: Ein Regierungssprecher ist ein Verkäufer, noch dazu einer, dessen oberstes Gebot die unbedingte Loyalität zur Kanzlerin und zu ihrer Regierung ist. Bei Wilhelm wurde diese Loyalität zum Markenzeichen.

Bild: taz

Steffen Grimberg ist Medienredakteur bei der taz.

Journalismus hat aber eine genau entgegengesetzte Aufgabe: Er darf nicht nur, er muss im Zweifel illoyal sein und genau das hochhalten, was ein Regierungssprecher tunlichst wegzulächeln hat, nämlich professionelle Skepsis.

Ein Wechsel zwischen beiden Lagern kann daher nur eine Einbahnstraße sein - so wie sie Klaus Bölling par excellence befuhr, als er 1974 vom Intendanten von Radio Bremen zum Sprecher des Bundeskanzlers Helmut Schmidt wurde. Der umgekehrte Weg existiert schlicht nicht.

Daher ist auch das Rückkehrrecht, das das ZDF seinem Mitarbeiter Steffen Seibert einräumt, absurd. Obwohl es auch schon für andere Regierungssprecher galt, die vom ZDF kamen - nie wurde es bislang beansprucht. Die Vorstellung, der Exregierungssprecher Seibert führe als fraglos gelernter Journalist später eben wieder harte Interviews mit den Mächtigen, für die er sprach, taugt nicht mal zur Satire. Genauso wenig wie die Vision, er könne ja einem politisch unsensiblen Programmbereich - in der Unterhaltung oder im Sport - dienen.

Dass die öffentlich-rechtliche Anstalt eine solche Rückfahrkarte trotzdem automatisch anbietet, ist symptomatisch für einen Sender, der sich stets lieber mit der Politik arrangiert, als harte Grenzen zu ziehen. Schließlich hat sich die ZDF-Spitze auch schnell damit abgefunden, dass im vergangenen Herbst ihr eigener Chefredakteur Nikolaus Brender von der Unionsmehrheit in den ZDF-Gremien abgesägt wurde. Der Intendant schöpfte seine Möglichkeiten - vom Rechtsweg bis zum Rücktritt - nicht aus. Auch möchte der Sender die für den Brender-Rausschmiss verantwortlichen Ministerpräsidenten der Länder trotz allem in seinen Gremien nicht missen - mit der wenig überzeugenden Begründung, diese würden ihren Einfluss sonst doch auf andere Weise geltend machen.

Und so sieht man in der ZDF-Intendanz den zwei Verfassungsklagen, die von SPD sowie Bündnis 90 und Linkspartei angestrebt werden, um Karlsruhe über die Staatsferne beim Zweiten urteilen zu lassen, mit mulmigen Gefühlen entgegen.

Beim Bayerischen Rundfunk hingegen ist die heile Welt der politischen Abhängigkeiten noch in Ordnung. Auch wenn die absolute CSU-Vormachtstellung in Bayern ins Wanken geraten ist: Im BR-Rundfunkrat steht sie noch wie der Fels in der Brandung. Und manche Gremienmitglieder freuen sich schon auf die guten Kontakte von Ulrich Wilhelm ins politische Lager. Ihre Hoffnung ist, dass so zumindest ihrer Anstalt größerer Ärger erspart bleibt, wenn die Zeitungsverleger wegen vermeintlich zu weit gehender Onlineaktivitäten Sturm laufen. Oder die Politik ganz allgemein über die Reform des öffentlich-rechtlichen Systems nachdenkt.

Es wäre interessant zu erfahren, wie sich die beiden Akteure - Steffen Seibert wie Ulrich Wilhelm - zu dieser Problematik stellen. Dass sie hierzu in der Öffentlichkeit bislang beredt schweigen, mag ein Indiz dafür sein, dass auch ihnen klar ist, dass solche Seitenwechsel der Funktion der Medien als vierte Gewalt zuwiderlaufen.

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13 Kommentare

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  • S
    soso

    Der vorliegende und zu häufiger Verwirrung führende Irrtum ist doch der, dass der JournalistInnenberuf längst keine Frage der Berufung mehr ist, für den ihn der naive und idealistische Betrachter nur allzu leicht zu halten geneigt ist, sondern eine rein finanzielle Angelegenheit geworden ist. Vielen Dank übrigens für die Erwärmung für Nicolas Brender! Überraschend, wie schnell das Thema aus den Medien verschwunden war; die künstliche Aufregung der öffentlich- rechtlichen Sender klingt in meinen Ohren eher wie ein resignierter Nachruf als wie ehrlih gemeinter Protest. Hoffen wir, dass die mit ner Verfassungsklage drangekriegt werden...

  • G
    Greenspam

    War das ZDF nicht immer schon das 'Adenauer-Fernsehen'?

  • B
    bengel2

    Eigentlich sind die beiden Personalrochaden, einschließlich evt. Rückrochaden in der Zukunft, doch nur Abteilungswechsel.

     

    Die Herren Wilhelm und Seibert waren, sind und bleiben käuflich.

  • W
    Warren

    Ich darf Sie beruhigen: es wird sich nichts ändern, weil die Öffentlich-Rechtlichen eh nur Merkel und Co. nach dem Mund reden und deren Sprachrohr zur Volksverdummung sind. Die "neutrale" Berichterstattung zur Bereitstellung "unabhängiger" Information ist eh nur ein Hohn. Es wird nichts unabhängig recherchiert oder wie käme es sonst zu solchen Informationsdebakeln wie bei der Schweinegrippe ? Keine objektive Berichterstattung, nur stumpfes Weiterleiten von fragwürdigen Information der Regierung bzw. der PR-Agentur der Pharmabranche, der WHO.

    Also ob da nun hin und her gewechselt wird, ändert nicht den "Realitätsgehalt" der Nachrichten, der tendiert dort eh gegen Null.

  • M
    Merci

    Welch Ironie zur ursprünglichen Historie des Zweiten Deutschen Fernsehens, dessen aktuelles Gebaren seinem eigenen "Gründungsmythos" zuwiderläuft.

  • MA
    Mareile Aue

    Wären die Medien eine Gewalt, so müssten sie sich, genauso wie die drei Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative auch kontrollieren lassen. Denn Kontrolle und Gegenkontrolle sind der Grundgedanke der Gewaltenteilung. Wäre die Kontrolle der Medien eine Einbahnstraße, sie würde den Sinn der Gewaltenteilung ad absurdum führen. Ich finde es widersprüchlich, wenn Journalisten angesichts dieser Tatsache die Medien als vierte Gewalt bezeichnen.

  • G
    Gebührenzahlerin

    Es ist schon sehr bemerkenswert, dass den Damen & Herren dieses ganze Postengeschachere nicht peinlich ist. Die Politik erkauftt sich Loyalität, die aus der Politik ausgeschiedenen erhalten lukrative Posten, so wäscht eine Hand die andere und die Zeche zahlt bekanntlich der Gebührenzahler.

     

    So etwas nenne ich Bananenrepublik!!!

  • H
    Hahahahahahaha

    Hahahaha,unabhängige Journalisten in Zeiten der politischen Korrektheit! In Zeiten in denen man um zu erfahren was im Kiez los ist Nachrichten zwischen den Zeilen lesen muß oder besser gleich in Blogs die auf Servern im Ausland liegen. Da soll ich mich über einen "Journalisten" aufregen der mal aus der Deckung kommt und offen zeigt wer ihn beim ZDF unterbrachte? Deutsche Journalisten sehen sich überwiegend als politische Erzieher statt Informationlieferanten. Sie übernehmen für einen das Denken und halten Informationen von einem fern die zu "falschen" Schlüssen führen könnten. Nebenbei sind sie dabei Kampfbegriffe zu plazieren. Da werden dann aus türkischen Gastarbeitern und arbeitslosem "Familiennachzug" in einer bunten Mischung mit abgelehten Asylbewerbern schon mal "Migranten", wobei man dieser Mischung gleich jeden Deutschen mit Einwanderungshintergrund hinzufügt damit sich die Ergebnisse der "Migranten" in Schule, Wirtschaft und natürlich der Kriminalitätsstatistik nicht alzu stark in Richtung untragbar bewegen. In solchen Zeiten ist es mir als Neukölner ziemlich schnuppe wenn jetzt mal einer der CDU-Leute beim öffentlichem Rotfunk mal den Job wechselt. Da gab es schon jede menge Parteibonzen die plötzlich "unabhängige" Leiter von Zeitungen wurden. Da sie aber von der SPD kamen oder gar den Grünen störte es das Zentralorgen TAZ natürlich nicht. Da war ja "objektive" und "unabhängiger" "Qualitätsjournalismus" am Werk. Manchmal seid ihr echt unterhaltsam, hahahahahaha!

  • M
    Madmo

    ...und unsere feinen Politiker wundern sich immer noch über die Politikerverdrossenheit der Bürger. Danke für diesen Artikel, ich habe mich schon länger gewundert, warum sich niemand über diese Seilschaften aufregt. Guter Journalismus wird leider immer seltener.

  • S
    Subse

    Ist nicht sogar ein leibhaftiger ehemaliger Bundeskanzler Herausgeber einer großen deutschen Wochenzeitung? (..die mit den vielen Webeanzeigen für hochpreisige Edeluhren drin)

  • RJ
    Roberto J. De Lapuente

    Ich habe schon vor einigen Wochen dazu geschrieben:

     

    Für einen leidenschaftlichen Journalisten, so teilt Steffen Seibert mit, sei das eine ganz unerwartete, faszinierende neue Aufgabe. Gemeint war damit sein neuer Posten, den er ab Mitte August antreten wird: den als Regierungssprecher. Vom Anchorman des heute-journal direkt ins Bundespresseamt! Eine faszinierende neue Aufgabe für ihn, den leidenschaftlichen Journalisten. Für einen also, der von Berufs wegen kritisch sein, objektiv recherchieren und berichten soll, der Neutralität verstrahlen müsste...

     

    Hier gehts weiter:

    http://ad-sinistram.blogspot.com/2010/07/eine-faszinierende-neue-aufgabe.html

  • W
    Wolfgang

    Uraltes Spielchen:

    Gibste mir, geb ich dir,

    eine Rolle Klopapier.

  • H
    hto

    "Die heile Welt der Kungelei" - So wie auch die taz nur die konfusionierende Überproduktion an systemrationalem Kommunikationsmüll bedient / surft, ist alles ABSURD und ... - eben die blödsinnige Welt der gebildeten Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche!?