Kommentar Ratingagenturen: Die Lösung heißt Eurobond

Europa schimpft über die Macht der US-Ratingagenturen - zu Unrecht. Stattdessen müsste man ihnen dankbar sein, dass sie die Daumenschrauben anziehen.

Die Wut auf die drei US-Ratingagenturen ist groß, scheinen sie doch immer wieder die gewählten Regierungen Europas vorzuführen.

Jetzt torpedierte Standard & Poors den Plan, die Banken an den Rettungskosten für Griechenland zu beteiligen. Dies würde man als "Zahlungsausfall" werten, ließ die Ratingagentur wissen. Damit ist klar: Die "freiwillige Umschuldung" wird schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

Aber ist das ein Verlust? Nein. Stattdessen müsste man Standard & Poors eigentlich dankbar sein, dass sie die Daumenschrauben anziehen. Denn die freiwillige Umschuldung war sowieso ein Witz: Die Banken hätten sich mit minimalen Beträgen beteiligt, und ihr Risiko hätte allein darin bestanden, dass ihr Zinsgewinn ein wenig geringer ausfallen könnte.

Aber Gewinn hätten sie immer gemacht - selbst wenn Griechenland in die Pleite steuern sollte. Das eigentliche Verlustrisiko blieb allein beim Steuerzahler hängen. Auf eine solche Umschuldung kann Europa verzichten.

Die freiwillige Umschuldung war eine Placebo-Pille, die Abgeordneten und Wählern verabreicht wurde, weil sich die Regierungen vor der eigentlichen Entscheidung fürchten. Die Alternative ist: Entweder tragen die Steuerzahler die Rettungskosten für Griechenland komplett - oder aber man führt einen Eurobond ein, eine europaweite Staatsanleihe.

Wenn die Investoren nicht mehr unterscheiden können, ob sie eine griechische, spanische oder deutsche Staatsanleihe kaufen - dann kann für einzelne Länder nicht mehr der "Zahlungsausfall" festgestellt werden, der sie bleibend von den Finanzmärkten abschneidet. Was heute undenkbar ist, wäre plötzlich möglich: Man könnte auch die Banken an einer echten Umschuldung in Griechenland beteiligen.

Die EU-Politiker und ihre Wähler müssen sich entscheiden: Eurobond oder Steuergeld. Durchwurschteln geht nicht. Das war zwar schon vorher klar, aber Standard & Poors hat es noch einmal deutlich gemacht.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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