Kommentar Proteste in Tunesien: Die Revolution lebt!
Die tunesische Regierung will die Gleichstellung von Frauen aufheben. Doch die Bevölkerung protestiert erfolgreich – denn sie weiß, wie man Revolution macht.
D er gesellschaftliche Aufbruch in Tunesien lässt sich nicht zurückdrehen. Auch wenn er häufig defätistisch heruntergespielt wird als Türöffner für eine neue Diktatur der Islamisten. Sicher, der tunesischen Revolution vom 14. Januar letzten Jahres ist die Strahlkraft in den ökonomischen Untiefen der Ebenen abhanden gekommen. Doch ihre Ziele werden von einer wachsenden Zivilgesellschaft, einer politisierten Jugend und engagierten Intellektuellen wachsam verfolgt.
Demokratische Frauen, viele neu entstandene Fraueninitiativen und Frauennetzwerke, Gewerkschaften und NGOs haben in Tunis und anderen Städten des Landes zur Demonstration aufgerufen. Tausende kamen. Sie demonstrierten, damit die bisherige Gleichstellung der Frauen in der Verfassung nicht zurückgedreht wird.
Für einen entsprechenden Gesetzentwurf stimmte die regierende islamistische Ennahda, die in der Verfassunggebenden Versammlung die Mehrheit hat. Sie will der seit 1956 bestehenden liberalen Verfassung Tunesiens einen islamischen Anstrich geben. Ein Versuchsballon der Islamisten unter vielen, der das gesellschaftliche Kräfteverhältnis austarieren soll.
Edith Kresta ist Redakteurin für den Reiseteil der taz.
Der Aufschrei kam prompt. Denn das säkulare, aufgeklärte Tunesien misstraut der Ennahda, die sich liberal geriert und heimlich von der Polygamie träumt. Ihre militanten Stoßtrupps, die Salafisten – denn nur so kann man die Passivität der Regierung gegenüber diesen Provokateuren erklären –, stürmen Kulturzentren, besetzt Moscheen und versucht, ganze Städte zu beherrschen. Doch Terror, Populismus und frömmelnde Debatten machen nicht nur Angst, sie formen auch den Widerstand der Zivilgesellschaft. Und diese ist in Tunesien, im Gegensatz zu Ägypten oder Libyen, breit aufgestellt.
Säkulare Kreise, Intellektuelle, aber vor allem die tunesischen Frauen wehren sich gegen die ungewohnten religiösen Fanatiker. Und sie organisieren erfolgreich Widerstand. Ganz im Sinne ihrer Revolution.
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