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Kommentar Pro-Atom-DemoIm Blaumann zur Kundgebung

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Der Energiekonzern RWE gibt allen Auszubildenden frei, damit sie in Biblis auf eine Atomkraft-Jubeldemonstration gehen können. Das ist fast so wie damals in der DDR.

Das ist wie damals in der DDR!" Solche Vergleiche liest man 20 Jahre nach dem Mauerfall wieder häufiger. Meistens sind sie unsinnig, und die Autoren verraten, dass sie eben nicht in der DDR gelebt haben. Und selbst bei jenen, die einst im Arbeiter-und-Bauern-Staat lebten, ist die Erinnerung verblasst - weshalb es ratsam ist, sparsam mit solcherlei Vergleichen umzugehen.

Manchmal aber bleibt nichts anderes als ein solcher Vergleich: Die RWE schickt ihre Auszubildenden auf eine Pro-Atom-Demo nach Biblis. Das ist wie bei den 1.-Mai-Kundgebungen der SED: Wirklich gezwungen, dort hinzugehen (und obendrein dieses kratzende FDJ-Blauhemd zu tragen), wurde niemand. Wer aber nicht hinging, kam auf die Liste.

So wie seinerzeit bei den Kundgebungen Lügen über den imperialistischen Klassenfeind aufgetischt wurden, so tischt nun die RWE Lügen auf. "Politiker und Regierung entziehen unserer Arbeit langsam, aber sicher den Boden", heißt es im Demo-Aufruf, ganz konkret gehe es um "unseren Standort Biblis", dem nächstes Jahr das Aus drohe. Die Wahrheit ist: Das RWE-Management selbst hat vor zehn Jahren einen Vertrag mit der Politik ausgehandelt, nach dem Biblis eigentlich schon 2007 vom Netz hätte gehen müssen.

Bild: taz

Nick Reimer ist Redakteur im taz-Ressort Ökologie und Wirtschaft.

So wie einst die SED versucht nun die RWE, die öffentliche Meinung zu fälschen. Die Jugend steht hinter Partei und Sozialismus, interpretierten die SED-Sprachrohre damals die gestellten Bilder. Die RWE versucht nun die Aussage hinzubekommen: Die Jugend Deutschlands steht hinter der Atomkraft. Das ist umso dreister, als einen Tag nach der RWE-finanzierten Demo die Anti-Atom-Bewegung nach Berlin mobilisiert. Allerdings hat das alles auch sein Gutes: 20 Jahre nach dem Mauerfall kann die Öffentlichkeit beweisen, dass sie sich nicht so leicht hinters Licht führen lässt wie einst in der DDR.

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.
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3 Kommentare

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  • MM
    Markus M.

    Wenigstens am 5.9. mal richtig Abschalten:

    Zumindest hat man privat die Möglichkeit, und sollte diese ergreifen, als deutlichen Akt der friedlichen Gegendemonstration an diesem Tag ganz deutlich den Energieverbrauch senken. Am besten die Sicherung aus.

    Das sollten gerade diejenigen machen, die sich noch immer keinen grünen Strom besorgt haben oder besorgen konnten, aber sich trotzdem keine Strahlende Zukunft wünschen. Wenn genügend Leute dies via Twitter und Telefonlawinen mitmachen, könnte es noch klappen, damit ein weiteres Zeichen zu setzen.

    Den schließlich haben wir es etwas schwerer: Wie zahlen unsere Demonstrationen selbst, ohne das es uns wieder Geld in die Kassen spühlt. Bei der RWE und seinen Partnern (nicht etwa Konkurrenten, wie sie sich gerne bezeichnen - würde sonst EON zur selben Demo fahren?) sieht das anders aus, da rechnet es sich sehr wohl, seinen Angestellten einmal einen bezahlten Tag frei zu geben, und ihnen die Fahrmöglichkeiten zu geben. Den Abgeschriebene Kraftwerke zahlen sich aus. Für die Entsorgungsversuche kommt der Steuerzahler auf, und wenn etwas noch mehr schief geht, als es eh schon geht, dann zahlen eben die nächsten Generationen - das schert doch einen Riesen nicht...

  • MG
    Manni Gerstenschloss

    In der DDR konnte keiner gegen staatliche Maßnahmen protestieren, ohne eingesperrt zu werden. Da kam die Stasi mit den Vopos.

    Die Linie in der DDR war: Kernenergie ist gut für den Sozialismus! Ein Anstecker mit "Atomkraft - nein Danke!" reichte für Knast.

    Heute macht man das anders. Man verunglimpft jeden, der für die Kernenergie ist. Komischerweise sind das diejenigen, die sonst doch so nett über die kuschelige DDR denken.

  • W
    Werner

    Es ist politisch wichtig, dass die Menschen in Biblis und Umgebung der RWE-Propagandaveranstaltung genauso entschlossen entgegentreten wie einem Nazi-Aufmarsch: Mit Verbotsanträgen gegen die RWE-Veranstaltung, mit einer großen Gegendemo und ggf. mit Sitzblockaden gegen die RWE-Demo.

     

    Dann, und nur dann ist auf einen deutlichen Effekt zu hoffen, besonders jetzt vor der Wahl.

     

    Und den Stromanbieter haben die Leute in Biblis und Umgebung hoffentlich auch schon lange zugunsten eines ökologischen Anbieters gewechselt, wie hoffentlich auch die Leute in Wolfenbüttel und Braunschweig wegen Asse 2.