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Kommentar PiratenparteiOhne Ziel kein Profil

Astrid Geisler
Kommentar von Astrid Geisler

Piraten leisten wertvolle inhaltliche Arbeit. Dass die Wahrnehmung dafür so schwach ist, hat sich die Partei aber selbst zuzuschreiben.

Viel Transparenz, aber wenig erkennbares Profil. Bild: dpa

S eit Wochen betreiben die Piraten einen Vernichtungsfeldzug in eigener Sache. Der Bundesvorstand hat sich höchst transparent zerlegt. Die halbe Republik bestaunte die Droh-SMS, mit denen ein Parteipromi den anderen wegekeln wollte. Bleibt die Frage: Was genau machen diese Piraten eigentlich, wenn sie sich gerade mal nicht gegenseitig bekämpfen?

Die gute Nachricht: Es gibt tatsächlich Piraten, die sich beherzt der Sacharbeit widmen. Einige Projekte überzeugen sogar die politische Konkurrenz – die Informationsplattform zum Flughafendesaster in Berlin ist ein Beispiel. Nur bekommt die Öffentlichkeit von solchen Initiativen selten etwas mit.

Und das, obwohl die Piraten immerhin in vier Landtagen sitzen. Dass sie dort als Oppositionsfraktionen nur selten Mehrheiten zustande bringen, trägt kaum als Ausrede für die bescheidene Resonanz. Den Grünen ist es in der Opposition durchaus gelungen, sich zu profilieren – richtig schwierig wurde es meist, wenn sie an der Regierung beteiligt waren.

Astrid Geisler

ist Parlamentskorrespondentin der taz.

Für viele Piraten stehen die Schuldigen fest: die Medien und deren Desinteresse an der Sacharbeit. Es genügt aber nicht, Beschlüsse ins Netz zu stellen oder Pressemitteilungen über die Verteiler zu jagen. Die Partei braucht Botschafter, die glaubwürdig und eloquent für ihre Ziele stehen. Genau solche Personen fehlen den Piraten jedoch.

Hinzu kommt: Es sind nur wenige Themen, bei denen Piraten zuweilen glänzen. Sie drücken sich um Richtungsentscheidungen. Auf wichtigen Feldern sind ihre Positionen luftig bis nichtssagend, zuweilen kaum identifizierbar. Ohne klare Ziele kann aber selbst den klügsten Piraten eine Profilierung kaum glücken.

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Astrid Geisler
Korrespondentin Parlamentsbüro
Jahrgang 1974, ist Parlamentskorrespondentin der taz. Zuvor hat sie als Reporterin und Inlandsredakteurin für die Zeitung gearbeitet. Sie war Stipendiatin des Netzwerks Recherche und erhielt für ihre Recherchen über Rechtsextremismus unter anderem den Theodor-Wolff-Preis. Schwerpunkte ihrer Berichterstattung sind die Piratenpartei, die CDU und das Thema Innere Sicherheit. Autorin der Sachbücher „Heile Welten. Rechter Alltag in Deutschland“ und „Piratenbraut. Meine Erlebnisse in der wildesten Partei Deutschlands“.
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8 Kommentare

 / 
  • S
    Stadtpirat

    Die Sache ist die, dass man sich im Grunde auf die Fahnen geschrieben hat, dass es um Inhalte und nicht um Köpfe gehen soll. Das ist das Dilemma in dem man als vordergründig steckt. Im Kern geht es aber um ganz wichtige Werte und ein neues Systemverständnis das man eben auf keinen Fall zum Preis eines schnellen, medialen Erfolges verschleudern will.

    Natürlich würden gewisse "Lichtgestalten" helfen Botschaften zu transportieren. Solche Personen gibt/gab es auch, aber oftmals haben diese sich dann in mit ihren persönlichen Botschaften verselbstständigt – was ich Ihnen persönlich nicht verübeln oder vorwerfen kann. Und in dem Moment wirkt eben die Basisdemokratie, konsequent, hart und ungeschönt! Manche mögen es Schittstorm nennen, ich nenne es extrem gute Selbstreinigungskräfte. Die Piraten stehen nicht eine One-(wo)man-Show. Wir brauchen keine Merkel, von der man dann in der Öffentlichkeit eine "Machtwort" erwartet, damit man als Lemming weiß in welche Richtung man weiter gehen darf, bzw. was man jetzt sagen darf. Das ist ein krankes, überholtes Systemverständnis und das ist ein Machtsystem mit Obrigkeiten, die die Menschen seit Anbeginn ihres Daseins praktizieren. Die aber immer wieder zu den gleichen Ungleichgewichtungen geführt haben wie, wir sie auch heute wieder erleben. Ich rede hier nicht nur von der Monetären Ungleichheit – es gibt viele systembedingte Schieflachen und Fehlentwicklungen. Das fängt ins besondere in den Bildungs- und Informationsbereichen an…

     

    Bei den Piraten geht es um einen Systemwechsel in allen Bereichen. Das ist gelebter Prozess, den man nicht zum Preis des Erfolges und der reinen Machtgeilheit aufgeben darf. Das ist wie ein eingeimpftes Gen, was man als Piraten einfach haben sollte – das sind die eigentlichen Kronjuwelen. Das ist ein ganz kleines Saatkorn, was man noch sehr gut hegen und pflegen muss, bevor ein großer Baum mit starken Stamm und ausladendem Schatten daraus wird und der seine Früchte für alle erreichbar (verstehbar) feilbietet.

     

    Ich will keine Partei, die Köpfe etabliert, die als "Führungsperson" dar stehen müssen und auf jede noch so bekloppte Frage oder Drängen eine Antwort geben muss. Ich will und hoffe, dass eben keine ernsthaft und ehrlich agierender Pirat jemals erst wahrgenommen wird, weil er ein Interview mit dem Lügenblatt gegeben hat. Mir würde das Herz aufgehen, wenn die Piraten Interviewanfragen mit diesen Medium mit kompletter Ignoranz begegnen würden. Selbst in einem Gruppeninterview würde ich für mich jeder Frage mit den Worten entziehen: „Mit ihren Blatt will ich nichts zu tun haben und verweigere jegliche Reaktion.“

     

    Warum schreibe ich das – mir geht es um den geraden Rücken von den Menschen, die politische aktiv sein und gleichzeitig ehrlich bleiben wollen. Die Piratenpartei ist angetreten nicht um nur ein neue Farbe zu besetzen, Sie wollen eine andere Gesellschaft, sie wollen eine andere Politik, sie wollen ein anderes System.

    Und ich wünsche allen aktiven Piraten viel Glück dabei, sich nicht von den heutigen Erwartungshaltungen und Konventionen kaputt machen zu lassen und nicht in die gleichen Gräben zu rutschen, wie de etablierte Politikerkaste.

     

    Mehr und mehr werden die Leute anfangen zu begreifen, dass man sich nicht von Schlagzeilen, Hypes und vor allen einzelnen Köpfen (Königen) leiten lassen soll: „Menschen, informiert euch und verhaltet euch nicht wie die Lämmer vor der Schlachtbank – jeder von euch hat eine eigene Stimme mitbekommen, also erhebt sie!“

    Wir sind gerade erst angefangen den Veränderungsprozess in die Hand zu nehmen.

  • S
    Sabine

    Nach meiner persönlichen Erfahrung sind die Piraten in ihrem angeblichen Kernthema Bürgerbeteiligung irritierenderweise heute schon so schlecht und unglaubwürdig wie die seit langem etablierten Grünen.

     

    Auf e-,Mail-Anfragen kriegt man so gut wie nie eine Antwort und auch sonst ist da eher nix.

  • O
    Opi_pensive

    Die Forderung nach Botschaftern, ist eine nette Umschreibung für Delegierte. Die aber will eine Großzahl der aktiven Piraten nicht. Unsere Botschaften aber will keiner nachdrucken, weil sie angeblich keiner lesen will.

    Ich hab die Piratenarbeit so verstanden, das thematisches und an Fakten orientiertes Arbeiten zu Ergebnissen führt und populistisches Geschrei nicht Sache der Piraten ist. Themen mit Köpfen wäre eine Variante die Piratenarbeit darstellen könnte. Köpfe sind austauschbar, Themen aber nicht.

    Vieles das möglich wäre scheitert an einem Problem das nur die Piraten haben, zu viel Ehrenamt und zu wenig Zeit und Geld.

    Kaum einer will die notwendige Verwaltungsarbeit machen und sich nur auf diese beschränken. Und schwups sind Köpfe da, die keiner für diese Aufgabe gewählt hat.

    Betrachtet man dann noch die vielen Parteimitglieder die etablierte Parteistrukturen im Hinterkopf haben, von den Medien einmal ganz abgesehen, muss man zu dem Schluss kommen, das hier Streit in eine Elementardiskussion hinein interpretiert wird.

    Die Piraten brauchen Zeit, das die Ansätze nicht schlecht sind zeigt, das die Etablierten abkupfern wo es nur geht. In nur 4 Landtagen vertreten, haben sie in kurzer Zeit mehr erreicht als alle Parteirebellen der Etablierten in den letzten 10 Jahren zusammen.

    Was könnten sie erreichen, wenn sie auch großflächig Kommunal oder gar im Bundestag vertreten sind... Eine Frage die den Etablierten wohl Angst macht, denn dann wären sie ja als Ideenlieferant für notwendige Änderungen kaum mehr zu ignorieren.

  • MB
    Michael Böttcher

    Ich denke die Presse ist ihren Lesern verantwortlich und sie berichtet auch so das es die Leser interessiert, was nicht interessiert, wird auch nicht veröffentlicht.

    So hat man sehr wohl die Ergebnisse der Aufstellungsversammlung von Berlin veröffentlicht. Da in Berlin 4 Frauen als Spitzenkandidaten gewählt wurden und das in einer Männerpartei.

     

    Wenn was außergewöhnliches geboten wird, dann wird auch darüber berichtet. Über den täglichen Weg zur Arbeit berichtet ja auch keiner, nur über die Unfälle.

     

    Damit sind die Piraten in der Bringeschuld für außergewöhnliche Ereignisse und das sollten keine Unfälle sein.

  • A
    Alex

    "Die Partei braucht Botschafter, die glaubwürdig und eloquent für ihre Ziele stehen. Genau solche Personen fehlen den Piraten jedoch."

     

    NEIN! Es gibt sie sehr wohl: klug, intelligent, kompetent, redegewandt, z.T. sogar eloquent.

     

    Die Piraten sind angetreten: "Klarmachen zum Ändern", wollen transparente & nachvollziehbare Politik machen, wollen ohne irgendwelche Quoten nur die Besten aufstellen & so auch als kleine Partei erfolgreich neue Politik 2.0 in die Parlamente einbringen. Dabei kann sich die Partei überall auch auf erfahrene Politiker stützen, überzeugte Piraten, wie z.b. in Schleswig-Holstein.

     

    Aber 64 Berliner Piraten wollen auf den Listenplätzen 1-4 eine 100% Frauenquote durchsetzen:

     

     

    Der nachlesbare Proteststurm ist Ohnegleichen.

     

    Damit wird der Basis-Beschluß, auf jedwede Quote verzichten zu wollen & nur die Besten aufzustellen, kontakariert. So befindet sich keiner der lebenserfahrenen Bewerber mit Berufspraxis & akademischem Abschluß auf der Liste. Mitglieder, die glaubwürdig und eloquent für Ziele der Piratenpartei stehen. Das ist dann das Ergebnis:

     

     

    1. Cornelia Otto

    2. Miriam Seyffarth

    3. Lena Rohrbach

    4. Ulrike Pohl

    5. Andreas Pittrich

    6. Laura Dornheim

    7. Jan Hemme

    8. Anisa Fliegner

    9. Enno Lenze

    10. Heide Hagen

    11. Stephan Urbach

    12. Michael Melter

    13. Mareike Peter

    14. Daniel Schweighöfer

     

    15. Maria Rosenau

    16. Fabricio Martins do Canto

    17. Dr. Jens Kuhlemann

    18. Frank Thiessen

    19. Michael Konrad

    20. Mechthild Bock

    21. Björn Glienke

    22. Sebastian Schneider

    23. Bettina Günter

    24. Dr. Angelika Brinkmann

    25. Robert Ulmer

    26. Dr. Andreas Böttcher

    26. Frank Roeder

    28. Prof.Dr. Jürgen Nowak

    29. Arthur Kaiser

    30. Tibor Jens Schade

    31. Michael Ickes

    32. Thomas Strenger

    33. Karin Remeikis

    34. Frithjof Binder

    35. Hannes Wünsche

    36. Jens Müller

    37. Michael Mittelbach

    38. Hans Joachim Weinberger

    39. Georg von Boroviczeny

    40. Hans Martin Fleischer

    41. Achim Bartsch

    42. Lür Waldmann

    43. Harmut Semken

    44. Klaus-Dieter Krause

    45. Rik Aulffes

    46. D.-Ing. Gerald Wünsch

     

     

     

    Die Parteibasis hat beschlossen: 'Wir wollen keine Politiker auf Lebenszeit', wir wollen nicht: "Kreißsaal - Hörsaal - Plenarsaal".

     

    Die aussichtsreichen Listenkandidaten 1-3 sind StudentInnen im letzten Semester, die dann passend nach erwartetem Abschluß vom Hörsaal in den Plenarsaal wechseln können. Praktische Politik-Erfahrung? Lebenserfahrung? Berufspraxis? Fehlanzeige.

     

    Wenn "die Medien" das dann fair publizieren, dann ist es deren gutes Recht, sogar Pflicht. Keinesfalls deren Schuld. Nicht der Überbringer schlechter Nachrichten ist Schuld. Die Schuld & die Schuldigen müssen veröffentlicht werden. Das nennt man dann Transparenz.

  • KK
    Kein Kunde

    Die Piraten bräuchten einen Avatar der ihre Inhalte an den Wähler bringt.

     

    Und eben keine Kasper in Talkshows. Derer haben wir schon genug.

  • P
    pommes

    Ich würde sogar noch weiter gehen und den Piraten raten, sich nicht so sehr auf die Medien zu verlassen. Fast jeder hat doch heute E-Mail, im Büro oder zu Hause. Wieso nicht große Kampagnen lostreten, die sich online verbreiten? Dann sind die großen Medien gezwungen, darüber zu berichten.

     

    In der taz findet glücklicherweise ein Austausch über die Piraten statt.

     

    Ich glaube, die Piraten wollen geliebt werden. Und sie denken, die erste Adresse zum Geliebt Werden sind Presse und Fernsehen. Das glaube ich nicht. Ich glaube, die Piraten müssen sich für ihre Kommunikation ein eigenes Standbein schaffen.

     

    "Don't hate the media. Become the media."

  • BB
    Boris Behnke

    Moin

     

    Das Problem ist, das die Presse und die Bevölkerung es nicht versteht, dass wir genau anders herum denken!

     

    Bei un Piraten ist der Vorstand nicht wichtig, wichtig ist die Basis!

     

    Würde die Presse mal "normale" Piraten interviewen, dann hätte man ein anderes Bild von den Piraten.

     

    Aber das ist ja nicht spektakulär! Schöner ist es ja, über Skandälchen zu schreiben!

     

    Habe ich hier auf der Taz oder in anderen Presseerzeugnisen etwas über den Bundestagskandidat Volker Bekrhout gelesen, der mit sehr großer Zustimmung auf Platz 1 der Landesliste gewählt worden ist? (130 Stimmen (83,87 %) der 155 Stimmberechtigten)

    Der Volker ist Pirat durch und durch, und steht für interessante Projekte.

     

    Nein, das ist zu langweilig!

     

    Schreibt die Presse etwas über unsere Aktion zum VDS?

     

    Auch hier nein!

     

    Ich als Pirat bin natürlich etwas befangen, aber ich sehe es nicht so, dass wir keine Arbeit abliefern!

     

    http://www.piratenpartei-kassel.de/

     

    Gruß Boris

     

    PS: Man kann mit der negativen Presse auch die Piraten klein halten! :-)