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Kommentar PflegeGenerationen gleichstellen

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Zehn Tage Pflegeurlaub für Eltern und Kinder sind recht und billig. Doch ausgerechnet die Union, die Familile als Pflegende in der Pflicht sieht, weist dies zurück.

W enn das Kind Grippe hat, dann bekommen Mutter oder Vater bis zu zehn Tage frei, um das Kleine zu pflegen. Wenn die greise Mutter oder der kranke Vater zum Pflegefall werden, dann soll das künftig auch einmalig möglich sein. Logisch. Denn Familie heißt ja, dass nicht nur die Eltern für die Kinder, sondern auch Kinder für die Eltern da sind. Nun zanken sich Union und SPD seit über einem Monat, ob Arbeitnehmer zehn Tage Pflegeurlaub bezahlt bekommen oder nicht. Absurd? Nein, zynisch.

Wenn die Eltern unversehens hilfebedürftig werden, stehen die Angehörigen vor einem Berg von Problemen. Sie müssen moralische und finanzielle Entscheidungen treffen. Sollen die Eltern zu Hause wohnen oder im Heim, wer kümmert sich, wer bezahlt es? Um solche weitreichenden Entscheidungen mit Bedacht zu fällen, sind zehn Tage Atempause für Arbeitnehmer nicht zu viel. Zumal ihnen die eigentliche Pflege der Angehörigen künftig viel mehr Zeit und Kraft abverlangen wird.

Doch ausgerechnet die Union, die die Familien als Pflegende moralisch in der Pflicht sieht, weist die bezahlte Auszeit als unbezahlbar zurück. Das ginge zulasten der Unternehmen, so das Argument. Dabei geht es nur vordergründig um 100 Millionen Euro, die zehn Tage Pflegeauszeit kosten würden. Das sind ganze 0,01 Beitragssatzpunkte und für die Unternehmen paritätisch geteilte 0,005 Punkte. Nein, wie schon 1995, als die Pflegeversicherung eingeführt wurde, will die Union die Unternehmen generell aus der Pflicht nehmen. Den "paritätischen" Beitrag von derzeit 1,9 Prozent bezahlen nämlich eigentlich nur die Arbeitnehmer, die vor zwölf Jahren auf einen Feiertag verzichteten. Und nun sollen sie abermals aus eigener Tasche bezahlen, was eigentlich eine gesellschaftliche Aufgabe ist.

Für den Zusammenhalt in einer Gesellschaft ist wichtig, dass Schwache und Hilfebedürftige integriert werden. Dazu müssen auch die Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden. Zehn Tage Auszeit sind nur recht und billig. Und sie sind nur der Anfang. Eine Debatte über flexible und kürzere Arbeitszeiten muss folgen.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.

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