Kommentar Papst besucht die USA: In vertrauten Bahnen
Papst Benedikt bleibt unpolitisch und zeigt sich eher an innerkirchlichen Problemen orientiert. Noch immer verschlägt es ihn auf seinen Reisen eher in die reichen Länder des Nordens.
Alte Menschen zieht es zum Urlaub gern in gewohnte Gefilde - an Orte, die sie oft schon seit Jahrzehnten kennen. Daran erinnert die Reise des Papstes in die USA, die sich bislang im erwartbaren Rahmen bewegt. In seinen Stellungnahmen, etwa zu den Fällen von Missbrauch durch katholische Geistliche, zeigte er sich eher an innerkirchlichen Problemen orientiert. Benedikt XVI. meidet politische Aussagen - etwa zum Irakkrieg - , um sich ja nicht in den US-Wahlkampf einzumischen, und so hat seine Reise bisher einen eher pastoralen - um nicht zu sagen: langweiligen - Charakter. Es ist nicht das große politische Drama, das Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. so gern inszenierte.
Mit seiner Visite in den USA bleibt der Papst zudem in seinem Milieu - das heißt, in den relativ alten Kirchen und gestandenen Demokratien des Westens und Nordens. Nur eine der acht Auslandsreisen des Pontifex Maximus ging bisher in den Süden dieser Welt, nach Brasilien 2007. Das zeugt von einer seltsamen Schieflage, liegt, rein zahlenmäßig betrachtet, in der sogenannten Dritten Welt und in den Schwellenländern doch die eigentliche Zukunft der Kirche. Hier, wo die Armut oft so groß ist wie die Glaubensbegeisterung, zeigt sich die katholische Kirche als eine Kirche der Armen, gar der Entrechteten. Mit dieser Kirche aber kann der Papst offenbar wenig anfangen - vielleicht, weil sie so schwer verständlich, chaotisch und spontan ist. Es spricht Bände, dass das Gerücht aufkam, Ratzinger habe bei der Planung seiner Brasilienreise das Ansinnen abgelehnt, auch einmal in eine Favela zu gehen. Dieser Papst lebt in einer geistigen, intellektuellen Welt. Er scheut, wie sich das für deutsche Professoren gehört, die Risiken des prallen Lebens.
Dieser Grundtenor seiner bisherigen Reisen trübt schon jetzt sein Pontifikat. Es ist unwahrscheinlich, dass sich daran in den kommenden Jahren noch etwas ändern wird. Ausgerechnet die von ihm so ersehnten Reisen, die etwas Aufbruch darstellen könnten - nach China oder Russland -, wird er wohl ob des dortigen Widerstands nie antreten dürfen. Darin liegt auch eine Spur Tragik: die Tragik einer verspielten Chance. PHILIPP GESSLER
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