Kommentar Oury Jalloh: Blamage der Justiz
Schwarze sind nicht so viel wert wie Weiße. Das ist das Signal, das gesendet wird, würde das Verfahren um den Tod von Oury Jalloh tatsächlich ohne Aufklärung eingestellt.
D er Vorwurf steht im Raum, seit Oury Jalloh starb: Die mit dem Fall befasste Justiz will gar nicht so genau wissen, wie der Afrikaner im Jahr 2005 in Dessau wirklich zu Tode kam. Zu dramatisch könnten die Folgen für den Staat sein, wenn herauskäme, dass Jalloh sich gar nicht selbst angezündet hat.
Jetzt hat die Justiz diesen ungeheuerlichen Verdacht noch einmal selbst genährt: Kurz vor Ende des Revisionsprozesses, der so zäh und für die Familie des Toten bestürzend verlaufen ist wie jener der ersten Instanz, wollte sie das Verfahren einstellen. Ohne Urteil – und ohne genauere Kenntnis über den Tag, an dem Jalloh verbrannte.
Die Einstellung haben die Richter unter anderem „wegen der langen Verfahrensdauer“ angeregt – ganz so, als sei es dem Gericht und dem angeklagten Polizisten nicht zuzumuten, sich noch länger mit dem Fall zu befassen. Was, wenn nicht der grausige Todesfall in einem deutschen Polizeirevier, soll eigentlich geschehen, damit ein Verfahren so lange geführt wird, wie die Klärung eben dauert?
Christian Jakob ist Redakteur im Ressort taz eins.
Offenbar wollte das Gericht die lästige Angelegenheit ein für alle Mal loswerden und die Schuld am sich abzeichnenden Scheitern des Prozesses zur Hälfte der Staatsanwaltschaft aufhalsen. Die Kammer hätte dabei hingenommen, von den Polizisten belogen worden zu sein, und sich ohne Not der Aufgabe entzogen, alles Mögliche für die Aufklärung des Todes von Jalloh zu tun.
Das Signal, das davon vor allem für schwarze Menschen in Deutschland ausgeht, ist verheerend: Ihr Leben ist eben doch nicht genauso viel wert wie das eines Weißen – so wird der Fall Jalloh in farbigen Communitys hierzulande interpretiert. Niemand dort glaubt, dass die Justiz sich Ähnliches leisten könnte, wenn ein Deutscher unter Umständen stirbt wie Jalloh.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier