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Kommentar "Ossi"-AblehnungRassismus gegen Ostdeutsche?

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Das Stuttgarter Arbeitsgericht darf den Fall der als "Ossi" abgelehnten Buchhalterin nicht als Bagatelle bewerten.

Sind Ostdeutsche ein eigener Volksstamm? Natürlich nicht, aber das ist auch die falsche Frage. Denn um Rassismus als solchen zu benennen, spielt es ja auch keine Rolle, ob es so etwas wie menschliche "Rassen" überhaupt gibt. Entscheidend ist, ob jemand aufgrund seiner Herkunft oder äußerer Wesensmerkmale benachteiligt wird. Das war bei der Buchhalterin Gabriela S., die sich bei einer Stuttgarter Firma um einen Job bewarb, offenbar der Fall. Warum sonst versah das Personalbüro ihre Unterlagen, die sie der Bewerberin mit einer Absage zurück sandte, mit dem Begriff "Ossi" und mit einem Minuszeichen?

Viele Deutsche in Ost und West empfinden sich gegenseitig auch 20 Jahre nach dem Mauerfall noch immer als fremd und andersartig: zahlreiche Bücher wurden darüber geschrieben, unzählige Witze gerissen. Außer Frage steht auch, dass manche Ressentiments gegen "Jammer-Ossis" und "Besser-Wessis" rassistische Züge tragen. Zum Beispiel, wenn allen Ostdeutschen pauschal kollektive Charaktereigenschaften - etwa Naivität, Autoritätsgläubigkeit oder Fremdenfeindlichkeit - nachgesagt werden. Oder, dass aus Vorurteilen konkrete Ausgrenzung folgen kann. 64 Prozent der Ostdeutsche fühlen sich deshalb als "Bürger zweiter Klasse", stellte der Soziologe Heitmeyer vor zwei Jahren in einer Studie fest.

Nur selten wird eine Diskriminierung aber so greifbar wie im Stuttgarter Fall. Darum wäre es falsch, ihn als Bagatelle oder Kuriosum abzutun, wie das viele westdeutsche Medien bezeichnenderweise schon getan haben. Ob das Stuttgarter Arbeitsgericht dies auch so sieht? Mit einer Geldstrafe würde es zeigen, dass es keinen Unterschied macht, ob jemand benachteiligt wird, weil er einen türkischen Nachnamen trägt oder weil er im Osten der Republik geboren wurde: beides ist gleich unerträglich.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”

2 Kommentare

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  • TE
    tante emma

    danke vic, deutlicher hättest du nicht sein können. q.e.d. (oder w.z.b.w.)

  • V
    vic

    Ehemalige Ostdeutsche diskreminieren geht natürlich gar nicht.

    Aber sie müssen ja nicht gleich Kanzlerin oder Rechtsradikale werden.