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Kommentar Osama bin LadenDie Kraft des Toten

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Obama steht als starker US-Präsident da. Offen ist, ob er es schafft, die Post-9/11-Ära mit seinen alle Rechtsnormen missachtenden staatlichen Übergriffen zu Ende zu bringen.

N atürlich ist es eine gute Nachricht. Osama bin Laden ist tot – zumindest er selbst kann seine mörderische Ideologie nicht mehr weiter verbreiten. Das aber ist auch alles. Anlass zu großem Jubel – ohnehin makaber nach dem Tod eines, wenn auch verhassten, Menschen – besteht eigentlich nicht.

Der Fortbestand von der Idee al-Qaida hängt schon lang nicht mehr an bin Laden. Der Scheich, dessen Botschaften seltener und dessen Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkter geworden waren, spielte zuletzt keine Rolle mehr, die er nicht auch als toter "Märtyrer" ausfüllen könnte.

Osama bin Ladens Tod ist insofern für al-Qaida weniger schlimm, als er für die USA wichtig ist. Allein die Tatsache, dass bin Laden auch im zehnten Jahr nach den Anschlägen vom 11. September 2001 immer noch auf freiem Fuß war, bedeutete eine permanente Demütigung für die Supermacht. Das ist jetzt vorbei, und US-Präsident Barack Obama glänzt im politischen Erfolg.

Bild: taz

BERND PICKERT ist Redakteur im Auslandsressort der taz.

Wenigstens einen halben Tag lang kann er es genießen, einmal nicht kritisiert zu werden und die Glückwünsche von allen Seiten des politischen Spektrums einzusammeln. US-Kriegspräsidenten kennen das Gefühl. Es hält stets nur kurz.

Die US-Medien sind sich einig: Seit Sonntagabend ist Barack Obama ein starker Führer, dem die Republikaner nicht mehr so leicht außenpolitisches Versagen werden vorwerfen können. Mag sein. Die eigentliche Frage aber ist doch, was Obama daraus macht.

Human Rights Watch fordert, jetzt alle Rechtsnormen missachtenden Formen des Kriegs gegen den Terror zu beenden. Das ist die eigentliche Aufgabe: die Post-9/11-Ära endlich zu Ende bringen. Dazu braucht es wirklich Führungsqualität. Aber ob die Kraft eines toten Bin Laden dafür ausreicht?

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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8 Kommentare

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  • U
    ulschmitz

    Frau Merkel muss sofort zurücktreten.

  • OS
    Obama sin Laden

    "Natürlich ist es eine gute Nachricht."

     

    Na, da bleibt mir doch sogleich was im Halse stecken.

    So "natürlich" finde ich persönlich es nicht, den Tod eines Menschen als "gute" Nachricht zu bewerten.

     

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass die taz es wagen würde, zum Beispiel den Tod des unsäglichen George W. Bush als "gute Nachricht" zu proklamieren.

     

    Besagter Bush ist aus meiner Sicht kein Stück besser als bin Laden. Er war einer der schlimmsten Kriegsfürsten der Neuzeit (für den Tod wievieler Menschen ist der doch gleich verantwortlich?), der seine Kriegspropaganda - analog zu bin Laden - ebenfalls als religiös motiviert verkauft hat.

     

    Wie sich die Dinge nach bin Ladens Exekution nun weiterentwickeln, bleibt abzuwarten.

     

    Den - aus meiner Sicht verständlichen - Rachegelüsten der USA ist genüge getan.

    Obama steht momentan als starker Mann da, der den Feind zu Strecke gebracht hat.

     

    Ob dieses Vorgehen wirklich so klug war, wird sich erst noch zeigen müssen. Ich befürchte, den radikalen Islamisten wurde nun ein Top-Märtyrer quasi auf dem goldenen Tablett überreicht. Bekanntermaßen eine gutes Methode, um den Hass noch weiter zu schüren. Ob die Welt so sicherer wird, wage ich arg zu bezweifeln.

     

    Möglicherweise wäre es pragmatisch betrachtet klüger gewesen, bin Laden nicht zu töten, sondern seinen Aktionsradius auf andere Art und Weise massiv zu begrenzen und ihm so seine Macht zu nehmen.

  • V
    vic

    Hingerichtet und im Meer versenkt.

    Von den Schergen des Friedensnobelpreisträgers.

    Obama freut sicht, Amerika freut sich, Merkel freut sich - es ist widerlich.

  • MS
    Mord statt Gerichtsverfahren

    Bin Laden war jahrelang ein hervorragendes Propaganda-Instrument, um immer wieder eine terroristische Bedrohung des Westens in den Mittelpunkt zu stellen und diese politisch zu instrumentalisieren. Es wurden nicht nur Anti-Terrorgesetze mit einschneidenden Einschränkungen für die Bürgerrechte durchgesetzt. Mit dem Anschlägen vom 11. September wurde ein blutrünstiger Rachefeldzug gegen Afghanistan und den Irak gerechtfertig, der in seinem Umfang und Zerstörungsergebnissen die Angriffe auf das World-Trade-Center vollkommen in den Schatten stellt. Sie wurden als Vorwand genutzt politische und wirtschaftliche Großmachtziele westlicher Staaten im arabischen Raum zu verwirklichen. Der Umgang mit der Tötung Bin Ladens zeigt, wie heruntergekommen das Rechtsverständnis in den westlichen Regierungen und in den Mainstream-Medien ist: Die standrechtliche Hinrichtung von Bin Laden ist ein Willkürakt, ein rechtsstaatliches Verfahren das ihm trotz seiner Verbrechen zusteht wurde ihm verweigert. Die westlichen Demokratien zeichnen sich immer mehr durch Respektlosigkeit und Verletzung internationaler Normen, des Völkerrechts und der Menschenrechte aus. Die Universalität der Menschenrechte und die demokratischen Grundwerte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit werden immer mehr ausgehölt und durch ein positivistisches Rechtsverständnis und eine macchiavellinische Herrschaftspraxis ersetzt. Wie man am Beispiel Libyen sehen kann, wird der Humantätsgedanke mißbraucht, um sich ein UN-Mandat für eine Kriegseskalation zu erschleichen und dann willkürlich auszulegen - inklusive Mord an Gaddafis Familie.

  • HK
    Horst Kirschstein

    Kriegsberichterstattung

     

    Mich wundert, wie unkritisch derzeit die meisten Medien, darunter auch die TAZ, das Vorgehen der USA, Großbritanniens und Frankreichs in Libyen, Irak und Afghanistan/Pakistan reportieren.

     

    Ich möchte daran erinnern, dass hier Nato-Staaten unerklärte oder erwiesenermaßen inicht gerechtfertigte Kriege führen, gezielt liquidieren, Völker-, und Menschenrecht nicht beachten.

     

    Rechtstaatlichkeit und Demokratie können so nicht verteidigt werden. Und unsere Sicherheit wird nicht dadurch erhöht, dass wir die kriegerische "Lösungen" dem Dialog und wirtschaftlichen Ausgleich vorziehen.

  • V
    vic

    So wird er die Tea Party schlagen, das ist nur schwer zu toppen für einen US Bürger.

  • V
    vic

    "Der größte Terrorist der Welt" wurde getötet, heißt es.

    Ich befürchte, der größte Terrorist erfreut sich nach wie vor bester Gesundheit.

  • F
    Florentine

    "Natürlich ist es eine gute Nachricht. Osama bin Laden ist tot". Das ist erst mal keine gute Nachricht. Der Haken ist nämlich, wie er vermutlich ge-schossen wurde (falls dies so stimmt). Ohne Hinzuziehung eines Gerichtes nämlich.

    Und wenn so etwas dann eine gute Nachricht ist, haben die taz, der Autor und ich ein unterschiedliches Rechts- und Demokratieverständnis.

    Vielleicht aber lebt Osama noch und verschwindet Zeit lebens ohne weitere Information der Öffentlichkeit in irgendwelchen US-Folterkellern. Oder sollten sich die USA eine solche Befragungsmöglichkeit Osamas wirklich entgehen lassen? Was ist Wahrheit? Ich neige zur Beantwortung dieser Frage im Orwell'schen Sinne.