Tod Osama bin Ladens: Versteckt im Urlaubsort

Wie konnte sich bin Laden in der Garnisionsstadt Abbottabad verstecken? Es gibt Hinweise, dass Pakistans Spionage-Agentur ISI die Hand mit im Spiel hatte.

Hier soll bin Laden gelebt haben: Abbottabad. Bild: dapd

DELHI taz | Einwohner der 110.000 Seelen zählenden Stadt in Abbottabad wunderten sich eine Stunde nach Mitternacht über ungewöhnliche Lärm. Hubschrauber überflogen die Stadt 70 Kilometer nördlich von Islamabad. Wenig später waren Explosionen und Schüsse zu hören. "Ich hoffe, dass das nicht der Beginn von etwas Schrecklichem ist", schrieb IT-Spezialist Sohaib Athar aus Abbottabad im sozialen Netzwerk Twitter. Bald kursierten Gerüchte in der Garnisonsstadt. Denn die Bergstadt zwischen Islamabad und Peshawar galt bislang als eher ruhig und von Terroranschlägen verschont. Der Ort auf 1.250 Meter Höhe ist wegen seines milden Klimas bei Besuchern beliebt.

"Ich habe Lahore verlassen wegen der Bombenattacken", sagte Sohaib Athar später Journalisten. "Und nun komme ich nach Abbottabad und stelle fest, dass bin Laden hier lebte. Der Unterschlupf des Top-Terroristen lag mitten im Zentrum der Kleinstadt, nur unweit von der prestigeträchtigen Militärakademie und der Polizeiwache entfernt.

Unklar ist, wie weit Pakistans mächtiges Militär und der Geheimdienst des islamischen Landes an der Kommandoaktion beteiligt waren. Die Zusammenarbeit zwischen den amerikanischen und pakistanischen Stellen bei der Jagd auf islamistische Kämpfer verlief in letzter Zeit nicht gerade harmonisch. US-Präsident Barack Obama beließ es bei vagen Andeutungen, wonach die Operation in Zusammenarbeit mit der pakistanischen Seite ausgeführt wurde. Andere Quellen aus den USA sowie Pakistan legen wiederum nahe, dass die pakistanischen Stellen nichts davon wussten. Doch dies könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass Pakistan nicht gern mit dem Tod von Osama bin Laden in Verbindung gebracht werden möchte.

Bin Laden ist beliebt

Der Islamist erfreut sich in Pakistan einiger Beliebtheit - auch in Kreisen des Militärs. Pakistans Präsident Yusef Raza Gillani sprach zwar von einem "großen Sieg". Doch es gab auch andere Stimmen im Lande: Hamid Gul, der frühere Spionagechef des Landes, warnte umgehend vor Vergeltungsanschlägen al-Qaidas. Der Tod bin Ladens durch US-Truppen in Pakistan könne schwere Folgen für das Land haben, weil die Souveränität Pakistans in Frage gestellt werde, sagte der Ziehvater der Taliban pakistanischen TV-Sendern.

Die Tatsache, dass der Al-Qaida-Chef in einer beschaulichen Kleinstadt zwischen Islamabad und Peshawar getötet wurde und nicht in einer Höhle in der unwirtlichen Grenzregion zwischen Pakistan und Afghanistan, legt allerdings nahe, dass Pakistans einflussreiche Spionageagentur ISI die Hand mit im Spiel hatte. Es scheint praktisch ausgeschlossen, dass sich der meistgesuchte Mann der Welt im Zentrum der Garnisonsstadt Abbottabad in einem gut gesicherten Wohnkomplex ohne Hilfe und Mitwisserschaft von Armee und ISI vielleicht über Jahre verstecken konnte.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Gerüchte, wonach sich der zuckerkranke Top-Terrorist in einem Krankenhaus in Rbawalpindi nahe der Hauptstadt Islamabad wegen Nierenproblemen behandeln ließ. Andere meinten, den 54-Jährigen in einem Hospital in der pakistanischen Hafenstadt Karachi gesichtet zu haben. Einige hochrangige Al-Qaida- und Taliban-Führer sind in in letzten Jahren in Pakistans Großstädten festgenommen worden: etwa Khalid Sheikh Mohammed, ein in Kuwait geborener Al-Qaida-Kommandeur 2003 in Rawalpindi oder der afghanische Talibanführer Mullah Baradar 2010 in Karachi.

In beiden Fällen war es der ISI, der die islamistischen Anführer gefangen nahm. Nach dem Tode des saudischen Fundamentalisten wollen sowohl die USA als auch Pakistan vermeiden, dass sein Grab oder sein letzter Wohnort zu einer Wallfahrtsstätte wird. Sicherheitskräfte in Abbottabad schotteten den Wohnkomplex bin Ladens ab. Es gab Gerüchte, wonach Bulldozer das Gelände einebneten.

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