piwik no script img

Kommentar Opel-RettungSchräger Sozialismus

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Opel kriegt für ein waghalsiges Konzept Milliardenkredite, während jeder Hartz-IV-Empfänger eine knallharte "Bedürftigkeitsprüfung" über sich ergehen lassen muss. Ziemlich pikant.

Handicapologie" - so nennt man in der Soziologie den Trend, demjenigen am meisten aus öffentlichen Mitteln zu geben, der die größte Aufmerksamkeit für seine Notlage erzeugt. Die "Handicapologie" schafft leicht eine "Benachteiligtenkonkurrenz", die den Sozialstaat in seiner Glaubwürdigkeit in eine Abwärtsspirale bringt. Es kommen immer mehr Forderungen, und diese haben eine sinkende Abgabenbereitschaft jener zur Folge, die für diese Wünsche aufkommen sollen.

Bild: taz

Barbara Dribbusch ist Sozialredakteurin der taz.

In dieser Situation befindet sich die Bundesrepublik nach dem Wochenende der "Opel-Rettung". Und damit dürften auch eingefleischte Fans der Umverteilung aus dem linken Spektrum ein ernstes Problem haben. Das Grummeln im Bauch rührt daher, dass nun Steuerzahler via staatliche Bürgschaft finanzielle Risiken schultern sollen, die in der freien Wirtschaft niemand tragen will - wäre es anders, dann hätte es der Hilfen ja nicht bedurft.

Wir werden zwangsweise zu Risikounternehmern gemacht. Das ist ein schräger Sozialismus, gerade in Zeiten, da man sich allerorten über das Spekulantentum erregt. Die Zockermentalität ist anscheinend vom Bankenwesen in die Politik gewandert. Dass ein Automobilkonzern für ein riskantes Konzept Milliardenkredite bekommt, während jeder Hartz-IV-Empfänger für ein paar Euro eine knallharte "Bedürftigkeitsprüfung" über sich ergehen lassen muss, ist schon pikant.

Logisch, dass jetzt auch andere Konzerne bei den staatlichen Rettern anklopfen, Kaufhäuser, Automobilfirmen, die Kredite oder Bürgschaften wollen. Kaum jemand erinnert sich dabei noch an die Vorgabe im Konjunkturpaket II, dass die Notlagen der Unternehmen erst nach dem Juli 2008 aufgetreten sein dürfen, wollen diese staatliche Hilfen bekommen. Wer will noch so genau tatsächliche Notlagen überprüfen, wenn heute fast jedes Unternehmen bei sinkenden Umsätzen Kurzarbeit beantragen kann? Ja, es geht bei all diesen Aktionen um Arbeitsplätze. Aber Jobs waren schon immer das Faustpfand - auch als die Unternehmen noch vehement weniger Staat forderten.

Umverteilungssysteme müssen transparent sein und Grenzen aufweisen, um glaubwürdig zu wirken. Denn sind wir nicht alle irgendwie benachteiligt, zumindest als Steuer- und Beitragszahler? Diese Sorge untergräbt den Sozialstaat - vielleicht sogar nachhaltiger, als eine Opel-Insolvenz es getan hätte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • A
    Amos

    Das Schöne an der ganzen Sache ist ja, dass die

    Arbeiter aufs "Abstellgleis" gesetzt werden, damit

    die Firmen mehr abschöpfen können und die Manager sich die Taschen vollstecken dürfen, um anschließend

    wenn das Privatvermögen stimmt, den Steuerzahler zur

    Kasse zu bitten. Die Kleinunternehmen, die sich keine Politiker leisten können, müssen sehn wo sie

    bleiben. Dieses System hat die Pest, und die ist

    mit diesen Leuten, die hauptsächlich zum Eigennutz in die Politik gehen und keine Volksvertreter mehr sind nicht zu besiegen.

  • M
    Mirko

    Sehr richtig wird in dem Artikel angemerkt, dass hier Krisenlasten von Unternehmen der Allgemeinheit aufgebürdet werden und uns dies noch versucht wird, als Wohltat zu verkaufen.

     

    Leicht hämisch wird jedoch geäußert, dass "eingefleischte Fans der Umverteilung aus dem linken Spektrum" wohl ein Problem mit der "Opel-Rettung" hätten.

     

    Nun, als "so einer" würde ich mich durchaus bezeichnen, aber - ganz ehrlich - unter gerechter Umverteilung verstehe ich eher eine, die von oben nach unten geht, und nicht - wie hier - auf Kosten der Steuerzahler zu Gunsten eines angeblich unprofitablen Automobilkonzerns. Von daher ist diese Kritik genauso wenig zutreffend wie die Aussage "schräger Sozialismus".

     

    Von ebendiesem (und sei er noch so schräg) sind wir weiter entfernt denn je ...

  • A
    Amos

    Die Medien sollten mal nachforschen in welchen Großfirmen die Politiker ihr gewaltiges Zubrot verdienen. Diese werden mit Sicherheit von dem Steuerzahlern unterstützt werden müssen. Die Politiker behalten ihre "Beraterpöstchen" und der

    Bürger wird nach der Wahl gezwungen, die Suppe auszulöffeln Die Merkel schweigt sich aus (das ist ja ihre große Stärke: sie redet, sagt aber nichts)

    Nach der Wahl bekommen alle Wähler eins "in die Fresse". "Wer nichts sagt, der braucht nicht zu

    lügen". Es wird grausam-, nicht für die Lumpen,

    sondern für die Anständigen.

  • I
    isa

    Nicht nur du, ich auch!

  • V
    vic

    Nun bürge ich also nicht nur für Banken, sondern auch für Opel.

    Das, obwohl ich weder Geld, noch einen Opel besitze. Und beschlossen von einer Regierung, die ich nicht gewählt habe.