Kommentar Österreich: Italienische Verhältnisse in Wien
Schon wieder ist eine Regierung in Österreich vorzeitig am Ende. Kaum vorstellbar, dass durch die Herbstwahlen irgendetwas besser wird.
V oraussichtlich im September werden die Österreicher wieder zu den Wahlen gerufen. Von den vergangenen fünf Nationalratswahlen sind damit nur zwei zum regulären Termin abgehalten worden. In jedem der drei anderen Fälle war es die ÖVP, die mit einem Neuwahlantrag eine Legislaturperiode vorzeitig beendete. Italienische Verhältnisse, wie man früher gesagt hätte.
Gewiss hat der scheidende Kanzler Alfred Gusenbauer durch seinen eigentümlichen Führungsstil sein Ende selbst heraufbeschworen. Das Chaos der Sozialdemokraten, das in einem peinlichen Kniefall vor der mächtigen, europafeindlichen Kronen Zeitung gemündet war, hat den Ausstieg der Volkspartei aus der großen Koalition provoziert. Zuvor hat diese allerdings alles getan, damit es so weit kommt. Seit Amtsantritt hat der beinahe gleich starke Koalitionspartner keine Gelegenheit ausgelassen, Gusenbauer zu beschädigen: Der Kanzler sollte ja keine Erfolge haben. Diese Obstruktionspolitik war ein voller Erfolg. Vom Moment der Unterzeichnung des Regierungsabkommens an hatte Gusenbauer den "Kanzlermalus". Sozialdemokraten und Volkspartei, die beiden großen Parteien, waren zu der ungeliebten Partnerschaft praktisch gezwungen, weil es in einem Fünfparteienparlament, in dem auch noch zwei rabiate Populistenfraktionen sitzen, kaum eine andere stabile und realistische Regierungskonstellation gibt. Doch sie sind und bleiben heftig verfeindet.
Kaum vorstellbar, dass durch die Herbstwahlen irgendetwas besser wird. Aller Voraussicht nach wird die rechtsradikale Freiheitliche Partei unter dem Mini-Haider Heinz-Christian Strache am meisten vom Regierungsdebakel profitieren. Werner Faymann, der designierte neue SPÖ-Chef und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, wird wohl mit (Links-)Populismus kontern - einerseits den Lafontaine machen, andererseits allen möglichen niederen Instinkten schmeicheln. Am Ende werden wieder zwei - wenn nicht sogar drei - Parteien eine Regierung bilden, die tagtäglich nur an einem arbeitet: am Misserfolg des ungeliebten Koalitionspartners.
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