Kommentar Ökologisierung der Ökonomie: Bis die Lobbyisten kommen
Gut ist, dass das Bundesumweltministerium die Ökologisierung der Industriegesellschaft vorantreiben will. Doch Auto- und Energiekonzerne drohen dies zu torpedieren.
Stephan Kosch ist Redakteur im taz-Ressort Wirtschaft und Soziales.
Wie schön, auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat endlich begriffen: Wirtschaft und Umwelt sind keine getrennten Themen, sie sind untrennbar miteinander verbunden. Jedes wirtschaftliche Handeln hat Auswirkungen auf Ressourcen jeder Art, also auf Personal, Geld, Rohstoffe, Luft oder Wasser. Das ist nicht erst seit dem Klimawandel und dem Versiegen fossiler Energiequellen so. Allerdings bestätigen beide Trends, dass es zu diesem Ansatz nachhaltigen Wirtschaftens keine Alternative gibt.
Deshalb ist es gut, dass das Bundesumweltministerium die Ökologisierung der Industriegesellschaft vorantreiben will und einen entsprechenden Maßnahmenkatalog zusammengestellt hat. Man könnte natürlich über jeden einzelnen Punkt streiten und darüber lamentieren, was alles nicht in dem Papier steht. Aber an dieser Stelle soll es um die grundsätzliche Ausrichtung gehen, und die ist mit geplanten Schritten wie einer reduzierten Mehrwertsteuer für umweltfreundliche Produkte oder der Überprüfung jedweder Subvention auf ihre ökologische Wirkung nur zu begrüßen. Und auch die Einführung einer Brennstoffsteuer für Atomkraftwerke hat nichts mit einer künstlichen Verteuerung zu tun, sondern ist ein Weg, bislang von der Allgemeinheit getragene Kosten für Endlagerforschung und Transportsicherungen von den Konzernen zurückzuholen.
Das Problem ist nur: Nicht alle in der Bundesregierung haben verstanden, dass Abschied genommen werden muss von der alten Klientelpolitik. Die erste Reaktion von Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU), der einräumt, das Papier nicht zu kennen, es dann aber vehement ablehnt, lässt Schlimmes für die Durchsetzung der Pläne befürchten. Die Energiekonzerne werden ihre Lobby im Bundeswirtschaftsministerium aktivieren, die Automobilbranche ebenfalls Klinken putzen, um mal wieder strenge Richtlinien zu verwässern.
Doch die anstehende industrielle Revolution aus Angst um den Profit zu verzögern und zu verschleppen, bedroht genau diesen. Wer jetzt nicht in Klimaschutz und Effizienz investiert, wird morgen zu den Verlieren gehören.
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