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Kommentar Norwegen und die NPDEine gefährliche Logik

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

SPD und Linke fordern ein neues Verbotsverfahren. Die CDU will der NPD den Geldhahn zudrehen. Doch das ist eine gefährliche, demokratiegefährdende Mogelpackung.

W as hat ein blutiges Massaker in Skandinavien mit der NPD in Deutschland zu tun? Nicht viel mehr als Anders Behring Breivik mit Henryk Modest Broder.

Wie manche die Schreckenstaten des norwegischen Massenmörders benutzen, um dem zynischen Clown der deutschen Islamkritiker endlich jenen Schlag zu versetzen, den sie ihm schon immer versetzen wollten, so bieten die Anschläge von Oslo und Utøya einen Anlass zur Renaissance der alten NPD-Debatte.

Diese Reflexe werfen kein gutes Licht auf die politische Kultur in der BRD, denn eine solche Instrumentalisierung verbietet sich schlicht.

Bild: privat
PASCAL BEUCKER

ist NRW-Korrespondent der taz.

Wenn die jetzt wiederaufgeflammte Diskussion wenigstens einen Erkenntnisgewinn beinhalten würde! Aber die Frontlinien sind nach wie vor dieselben - und damit bleibt auch die kollektive Hilflosigkeit, einen gangbaren Weg zu finden, um dem Treiben der NPD wirksam Einhalt zu gebieten.

Während SPD und Linkspartei lautstark und vergeblich ein neues Verbotsverfahren fordern, holt die CDU ihren Vorschlag aus der Mottenkiste, der NPD stattdessen den Geldhahn abzudrehen - eine gefährliche, demokratiegefährdende Mogelpackung.

Dem niedersächsischen CDU-Innenminister Uwe Schünemann schwebt eine Änderung des Grundgesetzes und des Parteiengesetzes vor: Das "Prinzip der wehrhaften Demokratie" erlaube ein Abgehen von der festgeschriebenen Chancengleichheit aller Parteien. So könnten "Parteien mit Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden.

Wie praktisch: Anhaltspunkte für solche "Bestrebungen" sieht der aktuelle Verfassungsschutzbericht Niedersachsens auch bei der Linkspartei. Man schlägt auf die NPD und trifft wie nebenbei die unliebsame parlamentarische Konkurrenz von links.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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6 Kommentare

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  • H
    hto

    "Wenn die jetzt wiederaufgeflammte Diskussion wenigstens einen Erkenntnisgewinn beinhalten würde!"

     

    - wie denn auch, wenn die "Diskussionen" dieser "Werteordnung" doch immer nur der heuchlerische und funktional-bewußtseinsbetäubte Tanz um den heißen Brei sind!?

     

    "... abzudrehen - eine gefährliche, demokratiegefährdende Mogelpackung."

     

    - Ausbeutung und Unterdrückung, mit den reformistischen Mitteln der Diktatur des Kapitals ("Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei"), macht nicht nur "Demokratie" zu einer widerlichen, alles verkommenen Mogelpackung!?

     

    Wenn GRUNDSÄTZLICH alles allen gehört, kann PRINZIPIELL alles befriedet werden, bzw. wirklich-wahrhaftig demokratisch ORGANISIERT werden - Zusammenleben OHNE Steuern und Zinsen zahlen, OHNE "Sozial"-Versicherungen, OHNE manipulativ-schwankende "Werte", OHNE irration. Zeit-/Leistungsdruck zu einer Karriere von Kindesbeinen, usw., aber vor allem OHNE das "gesunde" Konkurrenzdenken im nun "freiheitlichen" Wettbewerb!?

  • H
    Hasso

    Dieses System hier, ist doch eine regelrechte Brutstätte für Andersdenkende! Bei dieser Einheitspolitik werden die Dissidenten hoffentlich bald in der Mehrzahl sein.

  • N
    Noblinski

    Natürlich, es gibt im deutschsprachigen Raum von Experten geschätzte 5000 potentielle Amokläufer, und es wäre aus extremistischer oder terroristischer Perspektive nichts effizienter, als diesese "Ressourcen" organisatorisch, kommunikativ und logistisch zu erschließen. Aber anders als in Norwegen, wo, - wie ein Reporter meinte, man "drei Tage vor einem Regierungsbebäude im Parkverbot parken kann, und kein Schwein interessiert das"- wird man hier von den zuständigen Behörden sofort aus dem Maistream gefischt, wenn man einen etwas überkritischen Eindruck macht.

     

    Viel interessanter ist meiner Meinung nach, daß einige Mitglieder der Paneuropa-Union angedeutet haben, sie würden dort austreten, falls sich bestätigt, daß Breivik dort noch Mitglied war.

  • KA
    keine Angabe

    Einer Anekdote folgend hat Johann Wolfgang von Goethe täglich drei Flaschen Rotwein getrunken. Aber nicht jeder, der drei Flaschen Rotwein trinkt wird dadurch zu Goethe.

     

    Kein Vergleich zwischen Breivik und Goethe, sondern lediglich die Darstellung eines fehlerhaften logischen Umkehrschlusses, der allerdings von beiden Seiten, also Toleranzverfechtern und Intoleranten vorgenommen wird.

     

    Die einen versuchen jeden Kulturkonservativen, der dem Islam kritisch begegnet, in das Verantwortungsfeld eines extremen Einzeltäters zu ziehen, die anderen, den Toleranzverfechter zum blauäugigen Unterstützer radikaler Islamisten zu machen.

     

    In jedem Fall zeigt das einen politischen Utilitarismus, der weder den Opfern noch der Trauer ihrer Angehörigen gerecht wird.

     

    Die Beschwörung einer Apokalypse gleich welcher Art, hat schon immer deren Vollstrecker auf den Plan gerufen. Menschen mit einem solchen Weltbild befinden sich in einem permanenten Ausnahmezustand. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Thesen Breiviks verbietet sich eigentlich von selbst, ganz einfach, weil er ein paranoides Lebensgefühl kultiviert hat, das den realen Risiken einer multikulturellen Gesellschaft oder der Bedrohung des Islamismus nicht mehr entspricht.

     

    Sein Manifest ist ein Kompendium, das sich ausschließlich bei Quellen bedient, die seinen geistigen Ausnahmezustand plausibel erscheinen lassen. Die Verschärfung der politischen Gegensätze auf Grund dieses Attentats trägt den Zielen dieses „Irren“ viel mehr Rechnung, als die Teilnehmer der Diskussion wahr haben wollen.

     

    Von einer Instrumentierung Breiviks für politische Zwecke gleich welcher Art ist daher abzuraten. Schade, dass die Diskussion schon in vollem Gange ist und so Angst und Versunischerung, der Nährboden politischer Radikalisierung, weiter verstärkt werden.

     

    Die Antwort sollte rein praktischer Art sein: Mehr Kontrolle beim Verkauf empfindlicher Substanzen und keine Nutzung militärischer Waffen für Sportschützen.

  • V
    vic

    Ich empfehle dazu "Panorama" von DO. 29.07. Der eine oder andere NPD Offizielle tut sich sichtlich schwer mit der Bewertung der Anschläge.

  • H
    hans

    Die NPD ist sicherlich nicht das größte Problem, wenn es um Rechtsextremismus geht, sondern eher das Kleinste, weil in dieser Partei haufenweise Spitze sitzen und die übermitteln fleißig an den Staat, was dort läuft.

     

    Dennoch kann man wohl kaum bestreiten, dass die NPD immer wieder auch Menschen an die NS-Ideologie, an Rechtsextremismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und verkommene Weltbilder heranführt. Nach zig Jahrzehnten Aufarbeitung des III.Reiches macht diese Partei insgesamt kein gutes Bild, aber das Verbot bringt nichts.

     

    Was wir in Wirklichkeit brauchen ist eine stringente Debatte über die Ursachen des Rechtsextremismus, über das III.-Reich und über solche Brandstifter wie Thilo Sarrazin, die sich einen Gaudi daraus machen den NS-Punk im Bidermannkostüm zu geben und die dafür auch noch andere Mitstreiter finden, die ähnlich wenig in der Sache, dafür viel im Stil und in der Form beitragen können.

     

    Das eigentliche Problem ist doch, dass wir in einem Land leben, in der es zig Attenttäter a la Oslo geben könnte, weil niemand wirklich hinter Videospiele, Gewaltspiele, NS-Fans, Kameradschaften, Burschenschaften und Rechtsextreme schauen kann. Auch der Verfassungsschutz lebt in einer Illusion, was er weiß und was er kann. Ein entschloßener Einzeltäter könnte in Deutschland noch schlimmer agieren als in Oslo.