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Kommentar NordkoreaHilflos und zwecklos

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Die westlichen Länder reagieren mit Drohungen und Vorbereitungen für eine militärische Auseinandersetzung. Als sei die Propaganda aus Pjöngjang ernst zu nehmen.

N ordkoreas Diktator Kim Jong Un pokert und blufft bislang sehr erfolgreich. Zu keiner der von ihm //www.taz.de/USA-mobilisiert-Raketenabwehr/!113966/:angedrohten Angriffe oder gar „vernichtenden Schläge“ gegen andere Länder ist Nordkorea militärisch auch nur annähernd in der Lage. Das wissen auch die Regierungen in Washington und anderen westlichen Hauptstädten. Dennoch reagieren sie, als sei die aggressive Propaganda aus Pjöngjang ernst zu nehmen, ihrerseits mit Drohungen, Vorbereitungsmaßnahmen für eine militärische Auseinandersetzung sowie der Ankündigung erneut verschärfter Sanktionen.

Diese Reaktion ist so hilf- und zwecklos wie die gesamte bisherige Sanktionspolitik gegen Nordkorea. Sie hat das Regime in Pjöngjang eher stabilisiert als geschwächt und das Leiden der bitterarmen Bevölkerung noch verstärkt.

Eine Chance auf einen Ausbruch aus dieser fatalen Dynamik und damit längerfristig auch auf die Überwindung der Diktatur in Pjöngjang gibt es nur, wenn die USA ihr Genfer Abkommen mit Nordkorea vom Oktober 1994 wiederbeleben. Darin versprach die Clinton-Administration nicht nur die Lieferung von Nahrungsmitteln, verbilligtem Öl und von – für militärische Zwecke unbrauchbaren – Leichtwasserreaktoren.

Bild: Kristin Flory
Andreas Zumach

ist UNO-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf.

Washington gab auch eine Nichtangriffsgarantie ab. Im Gegenzug sicherte Nordkorea die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages zu. Daran hielt sich Pjöngjang, obwohl Japan die Lieferung der Leichtwasserreaktoren verhinderte.

Doch Anfang 2002 erklärte Clintons Nachfolger George W. Bush Nordkorea gemeinsam mit Iran und Irak zur „Achse des Bösen“ in dieser Welt und kündigte Clintons Nichtangriffsgarantie auf, ließ Angriffsszenarien entwickeln. Daraufhin fühlte sich auch Pjöngjang nicht mehr an das Abkommen gebunden, trat aus dem Sperrvertrag aus und führte 2006 einen ersten atomaren Test durch.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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6 Kommentare

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  • RB
    Rainer B.

    Zweifellos hat die Bush-Regierung ohne Not viel Porzellan zerschlagen und damit in Nordkorea eine narzisstische Lawine losgetreten.

    Heute hat Kim fast allen Botschaftern im Land die Heimreise nahegelegt. Das ist eine ernste Situation, über die man in der Weltgemeinschaft nicht einfach hinwegsehen kann. Ich halte es für sehr gefährlich, dies einfach als "Propaganda" abzutun. Gerade weil es keine verlässlichen Daten über die militärischen Möglichkeiten Nordkoreas gibt, ist äußerste Vorsicht und diplomatisches Geschick geboten.

  • W
    Waffenlogik

    Aha, ein Staat der keine Waffen hat, ist lächerlich und diplomatisch als Clown zu betrachten.

    Genau diese Un-Logik führt zur global atomaren Aufrüstung und mächtigen Verwerfungen.

    Verständlich das diese Logik aus dem Dunstkreis der UNO kommt.

  • S
    Sören

    Dieser Kommentar geht von der Prämisse aus, dass Kim berechenbar ist. Aber da wir wenig über ihn und seine Persönlichkeit wissen, ist dies eben nicht der Fall. Wir wissen nicht, ob er sich der möglichen Folgen seines Handelns bewusst ist, oder ob er überhaupt das sagen hat und nicht irgendwelche Militärs.

     

    Deswegen muss die US-Regierung alles tun, um sich und seine Verbündeten im schlimmsten Fall verteidigen zu können. Alles andere wäre unverantwortlich gegenüber der eigenen Bevölkerung, auch wenn die USA sicher keinen Krieg wollen (schon aus finanziellen Gründen).

     

    Es gilt zwar wohl als unwahrscheinlich, dass Kim das Festland der USA wirklich mit Raketen erreichen kann, aber was ist mit dem Süden? Den kann er sicher mit Raketen erreichen, und die 10-Millionen-Stadt Seoul liegt im Norden von Südkorea.

     

    Übertriebene Panik wäre falsch, aber genauso falsch wäre es, dass alles von Anfang an als Bluff zu verharmlosen.

  • P
    Patton

    Berichtigung:

    das Kräfteverhältnis ist eher 1 zu 10 statt 1 zu 100.

     

    @Minstrel:

    ich sage keineswegs "Der tut nix! Der will nur spielen!".

    Ich halte die Gefahr eines Krieges durchaus für real.

    Allerdings denke ich auch, dass NK derjenige Akteur in diesem Spiel ist, der schnell am meisten zu verlieren hat. Und auch derjenige, der am schwierigsten einzuschätzen ist und der am ehesten einen halben Schritt zu weit gehen könnte.

    Deswegen -so finde ich- sollten sich die anderen Akteure am Riemen reißen und nach Kräften deeskalieren.

  • M
    Minstrel

    Als Saddam Hussein 1990 in Kuwait einfiel, da hatte bis dahin auch jeder gesagt: "Der tut nix! Der will nur spielen! Das Poltern und Säbelrasseln soll nur die Kuwaitis bei Verhandlungen beeindrucken."

  • P
    Patton

    @ Herr Zumbach,

     

    woher wollen Sie bitte wissen, wozu das Nordkoreanische Militär in der Lage ist, und wozu nicht?

     

    Halten Sie es wirklich für gerechtfertigt bei ihrer Betrachtung die Interessen Chinas außer Acht zu lassen?

     

    Selbst wenn nur die bekannten nordkoreanischen Waffen zum Einsatz kommen sollten: allein über 20000(!) Artilleriegeschütze haben Seoul innerhalb ihrer Reichweite (Angaben des US Militärs). Da helfen weder Aegis-Zerstörer noch THAAD Raketenabwehrsysteme etwas.

     

    (Ähnlich wie die deutschen Patriot-Systeme in der Türkei keine syrischen Mörsergranaten abfangen könnten ;-)

     

    Und selbst bei modernst ausgerüsteten Truppen auf Seiten Südkoreas: die Mannschaftsstärke von um die 100 Tausend gegen 9 Millionen muss erstmal aufgewogen werden. Abgesehen davon, wer soll denn Nordkorea besetzen, wenn es erstmal zerbombt ist? Die USA?

    Das wird China aber gut gefallen, in seinem Hinterhof... NICHT!

     

    Es bleibt nur eins zu hoffen, nämlich dass keiner, egal auf welcher Seite, eine unbedachte Provokation begeht, die zu einer unkontrollierbaren Kettenreaktion führen könnte!

     

    Es muss endlich Schluss sein mit Säbelrasseln und Kraftmeierei! Und zwar auf beiden Seiten! Auch die USA, ebenso wie die Koreas und Japan sollten sich in Zurückhaltung üben!

     

    Friede sei mit euch!