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Kommentar Niedriglöhne und ArmutArmutsfalle Erwerbsarbeit

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Niedriglöhne sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wer arbeitet, kann trotzdem von Armut bedroht sein. Die Minimal-Entgelte sind ein gesamtwirtschaftliches Problem.

Bild: taz

Barbara Dribbusch ist Inlandsredakteurin der taz.

Das war der Vergleich, der noch fehlte in der Studienlandschaft: die Gegenüberstellung der "working poor" in Deutschland mit denen in den USA. Der Anteil der armutsgefährdeten Erwerbstätigen hat sich in der Bundesrepublik in den Jahren von 1999 bis 2005 verdoppelt und ist damit stärker gestiegen als in den USA, zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Absolut gesehen, ist der Anteil der "working poor" unter den Vollzeiterwerbstätigen in den USA zwar immer noch etwa doppelt so hoch wie in Deutschland. Auch ist die Prozentzahl dieser Niedrigverdiener in der Zeit bis 2006 wieder marginal gesunken. Dennoch aber liefert die Studie einen Beweis mehr, dass niedrige Arbeitsentgelte in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind - so wie in den Vereinigten Staaten auch.

Die Einzelschicksale können sehr unterschiedlich sein, die Niedriglöhner sind eben gerade keine gleichförmige Masse. Da ist der Metallfacharbeiter, der seinen festen Job verloren hat und nun in einem ostdeutschen Betrieb als Leiharbeiter in einer 35-Stunden-Woche Maschinenteile montiert, für 750 Euro netto - nach Tarif übrigens. Dann gibt es die hoch qualifizierte Krankenschwester, die nach jahrezehntelanger Arbeit auf einer Intensivstation im Alter von 50 Jahren in eine Ambulanz wechselt, gesundheitlich bedingt nur noch auf eine 75-Prozent-Stelle. Damit sackt ihr Einkommen auf 900 Euro netto ab. Den Konsum ankurbeln kann man mit diesem Einkommen nicht - auch wenn das neue Konjunkturpaket vielleicht fünf Euro und damit eine Pizza im Monat drauflegt.

Wie in den USA entwickeln sich gerade jene Dienstleistungsbereiche zu Armutsfallen, die als zukunftsträchtig gelten, etwa die Pflege oder die Zeitarbeit. Niedrige Arbeitsentgelte fördern nur den Billigkonsum. Was das auf die Dauer auch für Deutschland bedeuten könnte, dafür ist der Zusammenbruchs des Konsums in den USA in den vergangenen Monaten ein Szenario. Das Konjunkturpaket kann nicht darüber hinwegtäuschen: Diese Entgelte sind ein gesamtwirtschaftliches Problem.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

2 Kommentare

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  • A
    Amos

    ´Wir brauchen Mindestlöhne damit die Wirtschaft funktioniert!?´´ Und was ist dabei raus gekommen.

    Die Menschen haben verzichtet- und die Nutznießer

    haben alles verzockt. Kleine Leute steckt man für

    weniger in den Knast.

  • J
    jailhousrockaBernd

    Zitat:"Die Minimal-Entgelte sind ein gesamtwirtschaftliches Problem". Ja, vor allem aber ein Überlebensproblem für die Betroffenen. Diese Niedrigstlöhne sind politisch gemacht und gewollt. Sonst noch Fragen?