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Kommentar Mord in München-SollnWas ist jetzt die Frage?

Ambros Waibel
Kommentar von Ambros Waibel

Der Mord zeigt, dass es keine gutbürgerlichen Inseln mehr gibt - auch nicht in München. Und Dominik Brunner war ein intaktes Individuum als das er auch geehrt werden muss.

W ie kann es sein, fragen sich die Kommentatoren des Verbrechens am S-Bahnhof München-Solln, dass ausgerechnet im "Millionendorf" ein couragierter Bürger am helllichten Tag totgeprügelt wird? Auf diese Frage gibt es eine Antwort - und sie ist nicht auf die "Weltstadt mit Herz" beschränkt, sondern passt auf alle Ortschaften der Republik, in denen gutbürgerliche Verhaltensnormen bislang als die wesentlichen gelten durften.

Dominik Brunner musste bei seiner über das Maß der Pflicht zur Hilfeleistung hinausgehenden Intervention mit vielem rechnen. Aber nicht damit, auf Gegner zu treffen, die ein persönliches Sich-Entgegenstellen, eine Ermahnung und die Drohung mit der Polizei nicht nur nicht beeindrucken, sondern dazu bewegt, ihr Aggressionspotential erst recht zu entfalten.

Im Münchner Kosmos liegt ein solches Verhalten außerhalb der verinnerlichten Norm. Deshalb prallten in Solln zwei Welten aufeinander - und wo sonst sollte das geschehen, wenn nicht an einem wirklich öffentlichen Ort, in dem Fall der S-Bahn? Dass es keine gutbürgerlichen Inseln mehr gibt in einer von harten Verteilungskämpfen geprägten Gesellschaft ist die eine Lektion der Geschehnisse.

Die andere liegt jenseits davon. Sie lautet: Wer Dominik Brunner ehren und als Vorbild in der gemeinschaftlichen Erinnerung verankern will, muss ihn als intaktes Individuum ehren und nicht als Opfer. Er hat - wie impulsiv auch immer - die Entscheidung getroffen, mit der er guten Gewissens leben wollte, mit der er sich abends vorm Spiegel ins Gesicht schauen wollte - und musste für sie sterben.

Mehr oder weniger bedenkenswerte Verweise auf fehlende Kameraüberwachung, mangelnde Polizeipräsenz oder radikale Personaleinsparungen bei der ,Geister'-Bahn gaukeln eine zu gewährleistende Sicherheit vor, die Politiker auf anderen Feldern längst als Sozialstaatsmentalität gebrandmarkt haben.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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12 Kommentare

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  • C
    clementine

    Mal über den Tellerrand bei der FAZ reinschauen, Studie zu Gewaltbereitschaft unter Hooligans:

     

    "Anders als gemeinhin vermutet, liefert die Studie keinen Beleg dafür, dass Arbeitslosigkeit der Eltern oder fehlende Freizeitangebot eine entscheidende Bedeutung für Gewaltbereitschaft spielen. Das gängige Argument – „Nix los und keine Kohle“ – taugt demnach nicht, um die Entstehung von Gewalt zu erklären."

     

    http://www.faz.net/s/RubFB1F9CD53135470AA600A7D04B278528/Doc~E01C53227126B46C0B751066D63128639~ATpl~Ecommon~Scontent.html

  • U
    Uli

    Bodenloser Kommentar. Selten verqueres Denken. "Intaktes Individuum", "wie impulsiv auch immer", "vorm Spiegel ins Gesicht schauen" - eine Zusammenstellung von unterschwelligen, verquasten Unterstellungen und klammheimlicher Diskreditierung eines Mannes, der sich - offenkundig und nach allem, was man weiß - ziemlich toll verhalten hat - ein superperfektrichtiges Verhalten gibt es in solchen Situationen nach Ansicht der Experten eh nicht. Aber sich schützend vor Kinder stellen, das kann in keiner Gesellschaft so falsch sein. Und dann noch diese Kombination aus einer, im Grunde sogar mutlos und resigniert klingenden Kapitalismusanklage und einer zwischen den Zeilen cool herausgrinsenden Sozialromantik: Das ist insgesamt ein Kommentar, den ich als scheinheilig empfinde, verdruckst und - irgendwie unehrenhaft.

  • H
    hto

    Neurosen und Psychosen im (zeit-)geistlichen Stillstand - die Ursache aller Probleme ist, seit der "Vertreibung aus dem Paradies, der Wettbewerb um das "Recht des Stärkeren" der nun "freiheitlichen" Marktwirtschaft, wo die Hierarchie in materialistischer "Absicherung" mit Bildung zu systemrationaler Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche konfusioniert wird.

     

    "intaktes Individuum" - wo "Individualbewußtsein" im Wettbewerb steht, da sollte man nicht die Vernunft eines geistig-heilenden Selbst- und Massenbewußtseins erwarten, da wird der Egoismus im Kampf um Illusionen eben auch mal blutig.

     

    Eine Befriedung ist zur eindeutigen Wahrheit / zweifelsfreien Gerechtigkeit ist absolut möglich, aber "nein nein nein, diese Suppe ..."!?

  • H
    H-M

    Anscheinend muss man, um an "öffentlichen Plätzen" überleben zu können, immer ein scharf geschliffenes Messer dabeihaben wie der Typ, der vor etlichen Jahren in der New Yorker U-Bahn einen Gangster "einfach" erstochen hat, der ihn mit einem zugespitzten Schraubenzieher bedrohte, um ihn auszurauben.

     

    Endlich haben wir bei uns amerikanische Verhältnisse, und München muss stolz darauf sein, hier den Vorreiter zu machen.

  • JF
    Jos Fritz

    Guten Morgen!

     

    Verstehe ich Sie richtig, Herr Waibel, dass Sie es als eine Art "Sozialstaatsmentalität" ansehen, wenn sich Menschen darauf verlassen, dass Notrufsäulen funktionieren und dass die Polizei Notrufe - auch bei fehlender Hysterie - ernst nimmt und weniger als zehn Minuten zum Tatort braucht?

     

    Vielleicht haben Sie ja Recht.

     

    Und vielleicht hätte Dominik B. einfach die S-Klasse nehmen sollen und nicht die S-Bahn.

     

    Danke für Ihre Analyse!

  • PP
    Peter Porombka

    1 ist unser Stadt drann schuld das sowas überhaupt passiert weil wenn jemand Helfen will wird er sogar von unserem Stadt noch Besraft wenn

    er solchen Penner auf die Schnautze haut oder Sie nicht Richtig über ihre Gesetze informiert hat oder die Armen Kinderschänder 1 oder 2 Jahre für eine Tot oder über ein Leben von einen Menschen der eigendlich nicht mehr Leben darf und wenn Ich solche Penner immer wieder höre die Kindheid war hart. Wenn jemand jemanden Böses tut muß im das selbe pasieren und noch schlimmer aber in der BRD wird jemand schlimmer Bestaft der einen Euro nicht Versteuert. Viele Grüße an unserre Politiker die nichts bringen aber nur Geld nehmen.

    Ist ja wunderbar das die B. bezahlt wird Ich könnte den ganzen Tag Kotzen

  • G
    gerthans

    Herr Waibels Argumentation erinnert mich an jene Zeit, als Adelige ihre Ehre im Duell verteidigten. Wird ein Adeliger dabei totgeschossen, galt er nicht als Opfer, sondern war gefallen als ritterlicher Mensch, der seine Ehre bis zuletzt wahrte, als "intaktes Individuum", dessen Ehre keinen Kratzer abbekommen hat. Es entspricht ja auch dem Selbstbild der damaligen Adeligen, kein Opfer-Typ zu sein.

     

    Meint Herr Waibel vielleicht: Dominik Brunner wird als Ritter ohne Furcht und Tadel geehrt. Meinetwegen, gönnen wir es ihm. Aber er soll dann nicht auch noch die Ehrung als Opfer einstreichen, das wäre zuviel des Guten! Schließlich war es ja seine Entscheidung, als ritterlicher Held aufzutreten. Aber vielleicht verstehe ich Herrn Waibel ja falsch.

  • D
    Dreibein

    Und natürlich dürfen die gesellschaftlichen "Verteilungskämpfe" auch nicht fehlen.

    Muss einfach rein.

    Geht nicht anders.

    Kapitalismus muss einfach mit rein.

    Auch , wenn eigentlich klar ist, dass die zwei oder drei Schläger auch noch kleine Kinder

    um ihr Geld erleichtern würden, wenn sie jeder 3 I Phones hätten.

    Einfach, weil Macht Spass macht.

    Weil man sonst nix kann oder zu faul ist, für die Kohle Zeitungen oder Flyer auszutragen.

    Wenn genug Hirnschmalz vorhanden ist, dann geht die Kriminalität weiter bis zur eigenen , gebrauchten S Klasse.

    Und hört nich auf.

    Auch Schuld des Kapitalismus ??

  • P
    pekerst

    Die Ankündigung des Kommentars lautet: "Der Mord am S-Bahnhof Solln zeigt, dass es keine gutbürgerlichen Inseln mehr gibt - auch nicht in München, findet Ambros Waibel"

     

    Die Kaprizierung auf München ist bühnenreif. Was soll an dieser Stadt im Hinblick auf die angesprochene Thematik besonders sein?

     

    Sprachlich auch nicht schlecht: Es gibt in München keine gutbürgerlichen Inseln nicht.

  • A
    Anne

    Die Frage nach der Schnelligkeit und Ernsthaftigkeit der Polizei habe ich mir auch gestellt. Da gab es noch keine Recherche drüber.

    Und warum werden Passanten die nur zuschauten, die um Hilfe gebeten wurden und willentlich untätig blieben, nicht angeklagt?

    Selbst war ich in einer Situation in der ich von einer Imbissverkäuferin nach einem Streit um den fehlenden Lohn meiner Tochter gestoßen und ins Gesicht geschlagen wurde. Ich rief Passanten an Zeuge zu sein, die grinsten und schauten schnell weg, liefen weiter und ließen mich zurück. (Der Imbiss ist inzwischen Insolvent)

    Auch wehrte ich Jugendliche ab, die einem älteren Herrn Knallkörper vor die Beine schmissen. Zum Glück, und ich hab dies immer so empfunden, war bei ihnen der Respekt vor einem "Mutter-Imitat" größer, als ihre grenzenlose Aggression.

    Nun bin ich kein großes, muskulöses Frauenbild- ich dachte mir immer, brüll sie (die Rüpel-Jungs) so an, wie sies wahrscheinlich von zu Hause gewöhnt sind.

    Mir geht der Tod von B. sehr nahe.

    Ich weiß noch nicht, wie ich die nächste Begegnung mit hohem Gefahrenpotential gestalten kann. Schließlich warten zu Hause viele Kinder.

  • D
    David

    Es kommt bestimmt noch einer, der sagt, der B. ist selber schuld weil er geholfen hat.

    Zum K...

    Ach ja, was ist eigentlich mit der Polizei? Angeblich benötigt sie mit Blaulicht von ihrer Wache zum S-Bahnhof Solln 3 Minuten. Die Polizei brauchte zwischen 15 und 20 Minuten ohne Blaulicht.

    So wirklich ernstgenommen wurde B.s Anruf offensichtlich nicht.

  • P
    Peter

    Was ist denn das für ein verquatschtes PsychologInnendeutsch?

     

    Für mich war der Verstorbene ganz schlicht ein aufrechter Mensch mit Zivilcourage.

     

    "Intaktes Individuum" - geht's noch?