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Kommentar MontagsdemosEs ist Zeit, Fakten zu schaffen

Malene Gürgen
Kommentar von Malene Gürgen

Die Demos der Rechten in Marzahn erledigen sich nicht von allein.

E s werden weniger, die Montag abends in Marzahn gegen Flüchtlinge auf die Straße gehen. In dieser Woche zählte die Polizei lediglich 500 TeilnehmerInnen; nach Einschätzung der taz und anderer BeobachterInnen waren es noch weniger. Das ist eine gute Nachricht. Aufatmen darf man aber nicht.

Auch wenn die selbst ernannte Bürgerbewegung Marzahn nun bis Januar eine Mobilisierungspause einlegen will, ist es unwahrscheinlich, dass sich die Demos der Rechten schon erledigt haben. Denn die organisierten Neonazis, die von Anfang an als Anmelder und Organisatoren der Proteste auftraten, werden sich diese Mobilisierungsmöglichkeit nicht so schnell nehmen lassen.

Was dagegen hilft? Gegenproteste organisieren, rechtsextreme Strukturen im Bezirk bekämpfen – und Fakten schaffen. Denn die Erfahrung aus Hellersdorf und anderswo zeigt: Wenn die Unterkünfte erst mal bezogen sind, schwindet das rechte Protestpotenzial. Diejenigen, die auch ohne gefestigte rechtsextreme Einstellung bei den Demonstrationen mitlaufen, merken dann nämlich schnell, dass es sich sehr wohl gut leben lässt mit den neuen NachbarInnen; dass sich die absurden „Sorgen und Ängste“ eben nicht bestätigen. Was einmal steht, kann nicht mehr verhindert werden – das nimmt der Neonazi-Propaganda den Wind aus den Segeln.

Deswegen ist es mehr als unglücklich, dass es in Marzahn noch mehrere Monate dauern soll, bis die Unterkunft errichtet ist, zumal die Container ja als unbedingt notwendige Akutlösung präsentiert werden. Und so lange an dem Grundstück nicht einmal ein Baustellenschild aufgestellt ist, bleibt der Anschein, der Standort sei noch Verhandlungssache – angesichts der aktuellen Stimmung im Bezirk ein fatales Signal.

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Malene Gürgen
Reportage und Recherche
Redakteurin im Ressort Reportage&Recherche | Jahrgang 1990 | Seit 2014 Redakteurin der taz, zunächst im Berlinressort | 2016-2020 schwerpunktmäßig Recherchen zur extremen Rechten, dazu 2019 "Angriff auf Europa" im Ch. Links Verlag erschienen (mit C. Jakob, P. Hecht, N. Horaczek, S. am Orde) | 2020-2022 als Produktentwicklerin verantwortlich für die Konzeption der wochentaz | 2022-2023 Redakteurin im Ressort Zukunft – Klima Wissen Utopien | Seit 2023 im Investigativteam der taz.

2 Kommentare

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  • Die Instrumentalisierung bzw. Volksverhetzung der Menschen in Marzahn durch die NPD hat eine andauernde Wirkung hinterlassen.

     

    Ist der NSU ein Ergebnis einer solchen Instrumentalisierung?

     

    Die politischen Parteien versuchen gegen die NPD seit Jahren gemeinsam vorzugehen. Das reicht aber nicht. Deutschland braucht Hilfe vom Bundesverfassungsgericht, damit das Leben in Deutschland friedlich weiter gehen kann!

  • Wofür ist wichtig, wieviele wie lange und wogegen auf die Strasse gehen, weil sie in ihrer Hilflosigkeit keine andere Möglichkeit als diese anachronistische mehr sehen, ihren blossen Körper auf die Strasse zu stellen? Warum ist es ein gutes Zeichen, wenn sie irgendwann auch diese nutzlose aufgeben und sich wieder von dannen trollen?

    Ihrem Unmut ist damit nichts genommen, ihr Zorn bebt weiter, nur sieht man sie nicht mehr, kann sie nicht mehr zählen.

    Das ist jedoch kein Grund zum Jubeln, denn ihre Staatsverdrossenheit nimmt zu und ihre Bereitschaft, wählen zu gehen nimmt ab.

    Bei 50 % liegt sie oft nur noch, in der Auslandsberichterstattung als katastrophal angesehen, in Deutschland jedoch zum Zeichen hoher Bürgerzufriedenheit uminterpretiert, es herrsche halt kein Wechselwille.

     

    Die wichtigsten Entscheidungen in Deutschland fallen und fielen doch ohne Demonstration dafür oder dagegen, ja selbst, ohne je zur Wahl gestanden zu haben:

    Oder haben Sie je für die Globalisierung, den €uro, die Banken- und Bankiersrettung, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die Renten- und Pensionskürzungen, die Erhöhung von Abgeordnetendiäten, die verdreissigfachung der Bezüge von DAX-Managern, die Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Auslandseinsatz, wenigstens für ein internationales Handelsabkommen oder die Ermöglichung von Fracking (etc. pp.) demonstriert?

    M.E. sind Demonstrationen out: Sie kosten Zeit, die keiner hat, Ressourcen, die sinnvoller anzuwenden wären, sie sind umweltschädlich, laut, gefährlich, wenn sie nicht gewaltfrei bleiben, noch gefährlicher, wenn der Staat selbst sie mit agent provocateurs gewaltsam werden lässt oder wenn er wie bei Stuttgart 21 Frauen, Greise und Kinder mit u.a. Wasserwerfern schädigt. Volkeswille sollte heute eher über das Internet manifestiert werden, bekannt ist er sowieso.