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Kommentar Migrantenquote in der SPDZiemlich spät, sehr peinlich

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Sigmar Gabriel fordert scheinheilig eine Migrantenquote in der SPD. Über zwei Jahrzehnte hat seine Partei dieses Thema mit wurschtiger Volkspartei-Arroganz ignoriert.

D ie SPD hat es bis jetzt erstaunlich effektiv verstanden, Karrieren von Migranten zu behindern. Der Parteivorstand war und ist ethnisch rein deutsch. Bei den Grünen gibt es Cem Özdemir, bei der CDU hat es Aygül Özkan zur Landesministerin gebracht. Die SPD hat den Schuss mal wieder als Letzte gehört, auch wenn jetzt in Stuttgart eine Migrantin Ministerin werden soll.

Die SPD-Spitze weiß seit zwei Jahrzehnten, dass es in der Partei eine gläserne Decke für Migranten gibt. Eigentlich müsste man da was tun, aber irgendwie hatte man immer gerade was richtig Wichtiges zu tun. Und was die Basis über Migranten denkt, will die SPD-Spitze dann lieber doch nicht so genau wissen.

In Frankreich und den USA haben die Konservativen schon vor Jahren den Reiz von Multikulti-Kabinetten entdeckt. Auch das hat an der Dickfelligkeit der SPD kein Jota geändert. Zu dieser Trägheit trug auch der Blick auf Wahlanalysen bei. Die Migranten sind die letzte Gruppe, die, wenn auch in abnehmendem Maße, mehrheitlich sozialdemokratisch wählt.

Bild: taz
Stefan Reinecke

STEFAN REINECKE ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Es ist genau diese Mixtur aus alter Volkspartei-Arroganz und Desinteresse, aus Wurschtigkeit und Konfliktvermeidung, die den Abstieg der Sozialdemokratie beschleunigt. So hochnäsig wie über Migranten hat man in der SPD auch schon auf Arbeiter und Arbeitslose geblickt: Stammklientel, die lästig fällt. Bis die Arbeiter und Arbeitslosen der SPD den Rücken kehrten.

Jetzt will Sigmar Gabriel eine 15-Prozent-Quote für Migranten. Das soll ein Kompensationsgeschäft für den vergeigten Sarrazin-Ausschluss sein, der auf die Kappe des irrlichternden SPD-Chefs geht. Gabriel wollte Sarrazin unbedingt rauswerfen, beim ersten Regenschauer hat er es sich anders überlegt. Wenn man die SPD sehr, sehr mag, kann man diese Quote für einen positiven Effekt der Sarrazin-Debatte halten. Ohne das Sarrazin-Desaster würde die SPD-Spitze noch in 20 Jahren nachdenken, ob sie sich um Migranten bemühen sollte. Vor allem aber ist dieser Deal – peinlich.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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6 Kommentare

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  • TS
    Thomas Sch.

    Ich glaube nicht, daß der Migrantenanteil so niedrig ist, weil aktiv verhindert wird, sie reinzulassen. Aber wer mal aufmerksam durch die Welt geht, sieht, daß bestimmte Migranten bestimmte deutsche Formen einfach nicht mögen. Stadt- und Altstatdfeste zum Beispiel, Tage der offenen Tür bei Feuerwehr, THW, dem örtlichen Schwimmbad etc. Überall da finden Sie ...keine Migranten. Es ist natürlich nicht verboten hinzukommen, allein: Sie tun´s nicht. Versuchen Sie mal in Ihrem Bezirk beispielweise eine Bastelgruppe aufzumachen. Was hören Sie von türkischen Vätern: "Türkische Jungs basteln nicht." Tja, was sagt man dazu ? So ist es wohl. Es gibt wohl neben der politischen Korrektheitsauffassung, daß alle Migranten automatisch benachteiligt seien und daher Schutz und Protektion benötigen würden, die Wahrheit, daß auch Ausländer ganz einfach uninteressiert und gleichgültig sein könnten. Und auch Ausländer verbringen ihre Zeit gerne an (ausländischen) dumpfen Stammtischen. Genauso eben wie Deutsche.

  • N
    nonukes@gmx.com

    Offenbar kam die Partei zu dieser Erkenntnis erst in ihrer Funktion als Juniorpartner.

    Aber was soll man erwarten von einer Partei, die Mitglieder wie Sarrazin beherbergt?

  • F
    Florentine

    Ich würd sagen, ob früh, ob spät, peinlich isses und anbiedernd. verschlagen.Sarrazin als Vorwand? Erbärmlich!!! Wenn die SPD nun Migrantinische Partei ist, soll sie sich gleich in MPD umbenennen und mit 2% Wählerstimmen ins Nichts gehen. Bebel, Brandt und Wehner haben sich sowieso schon im Grabe umgedreht. Sogar Helmut Schmidt hat es seine Sprache

  • FB
    Franz Beer

    Unter einer ,, Volkspartei,, wie es die SPD vorgibt zu sein verstehe Ich das alle Gesellschaftlichen Gruppen ,also ein Querschnitt der Gesellschaft eben diese auch vertritt.Mit ,,geduldeter,,Ausländerfeindlichkeit und Hetze kommt man nicht weiter.Mit Klientelpolitik (FDP) rutscht man in die Bedeutunslosigkeit ab.Eindeutig Mut zu zeigen in hinsicht Immigration,Atom,Bildungswesen,fällt der SPD soooo Schwer.Seit Schröder,s Zeiten mit Agenda,Hartz4 usw usw, die ganze Bevölkerungschichten in Staatlich Verordnete Armut zwingt,hat sich nichts verändert in der SPD.Wo sind die Wähler? Hol mal nee Pulle Bier.

  • TS
    Thomas Sch.

    Ich glaube nicht, daß der Migrantenanteil so niedrig ist, weil aktiv verhindert wird, sie reinzulassen. Aber wer mal aufmerksam durch die Welt geht, sieht, daß bestimmte Migranten bestimmte deutsche Formen einfach nicht mögen. Stadt- und Altstatdfeste zum Beispiel, Tage der offenen Tür bei Feuerwehr, THW, dem örtlichen Schwimmbad etc. Überall da finden Sie ...keine Migranten. Es ist natürlich nicht verboten hinzukommen, allein: Sie tun´s nicht. Versuchen Sie mal in Ihrem Bezirk beispielweise eine Bastelgruppe aufzumachen. Was hören Sie von türkischen Vätern: "Türkische Jungs basteln nicht." Tja, was sagt man dazu ? So ist es wohl. Es gibt wohl neben der politischen Korrektheitsauffassung, daß alle Migranten automatisch benachteiligt seien und daher Schutz und Protektion benötigen würden, die Wahrheit, daß auch Ausländer ganz einfach uninteressiert und gleichgültig sein könnten. Und auch Ausländer verbringen ihre Zeit gerne an (ausländischen) dumpfen Stammtischen. Genauso eben wie Deutsche.

  • T
    Tim

    Peinlich,

    wenn eine Partei nicht mehr in der Lage scheint, ihr Personal nach Kompetenz auszuwählen, sondern eine Quote gesetzt wird.

    Quoten können nie Gerechtigkeit schaffen. Wird doch mit der Quote eine Eigenschaft gefordert, die mit der Erfüllung der Aufgabe nichts zu tun hat.

    - Es sei denn, es gelänge endlich eine Quote für Anständigkeit, Sachverstand und Rückgrat einzuführen. Das würde der SPD tatsächlich helfen!