piwik no script img

Kommentar Merkels Israel-BesuchEin fairer Staat für die Palästinenser

Kommentar von Reiner Bernstein

Die Besonderheit der deutsch-israelischen Beziehungen sollte nicht bedeuten, dass die Bundesregierung israelische Menschenrechtsverletzungen nicht ansprechen darf.

Das Auswärtige Amt hat in diesen Tagen daran erinnert, dass der israelische Außenminister Abba Eban zu den "vordringlichen moralischen Forderungen unseres Zeitalters" bilateral eine "freimütige und konstruktive Entwicklung" rechnete. Eban hatte 1970 gerade den Besuch im Konzentrationslager Dachau hinter sich. Die Besonderheit der deutsch-israelischen Beziehungen als Konsequenz der Schoah sollte nicht bedeuten, dass die Bundesregierung israelische Menschenrechtsverletzungen nicht ansprechen darf.

Dieses Plädoyer hat an Dramatik gewonnen, denn der Staat Israel steht am Scheideweg. Die Extremisten bei den Palästinensern wie den Juden sind drauf und dran, jede politische Regelung zu torpedieren. Dass Angela Merkel über das Lob für die Aufbauleistungen des jüdischen Staates hinaus initiativ wird, ist der friedenspolitische Auftrag des Holocaust. Einer weiteren internationalen Konferenz im Sommer 2008 und der neuen Mittelmeer-Union bedarf es jedenfalls nicht. Vielmehr muss die Bundeskanzlerin in Jerusalem darauf dringen, dass der Staat Palästina ungeachtet eines Gebietsaustauschs in den Grenzen von 1967 entstehen soll.

Merkel hätte zu einem solchen Vorstoß allen Grund. Denn Washington will bis Ende 2008 zumindest einen Rahmenvertrag für die Zweistaatenregelung durchsetzen. Gelingt dies nicht, werden die innerpalästinensischen Auseinandersetzungen weiter eskalieren, während die neue US-Präsidentschaft ihre Aufmerksamkeit vorrangig der Wirtschafts-, Finanz-, Währungs-, Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik zuwenden wird. Neben den fünf außenpolitischen Prioritäten "Irak, Irak, Irak, Irak und Irak" bleibt für die Regelung des Nahostkonflikts wenig Kraft übrig.

Mit ihrem Besuch kann Merkel die bissige Bemerkung von Jitzhak Rabin ad absurdum führen, dass die Deutschen im Nahen Osten tun können, was sie wollen, es sei egal: "Ihr spielt keine Rolle."

REINER BERNSTEIN

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • D
    Dimitrij

    Nee klar, alle auf Israelis. Fällt den Linken denn im Verbund mit dem Wort Israel nichts besseres ein als eine Forderung nach "gerechter Lösung für einen Palästinenserstaat" ein? Dass der Staat Israel existiert, scheint uns Linke mehr zu stören als alles andere. Wenn es dann ein Jubiläum des 60-jährigen Bestehens gibt, ist es kein Grund, sich für die Israelis zu freuen, dass sie trotz aller Vernichtungsfantasien, -drohungen und -versuche ihrer Nachbarn immer noch existieren und zwar mit gutem Lebensstandard (Und das ohne eigene Ressourcen). Nein, das kann man den Israelis nicht zugestehen. Hoch mit der Palästinenserfahne! Wo war nochmal meine Kafia?