Kommentar Merkel zur Frauenfrage: Plauderei statt Politik

Zwar will die Kanzlerin im Wahljahr '09 auch Signale an die weibliche Wählerschaft senden. Doch viel fällt ihr dazu offenbar nicht ein. Mehr noch: Sie meidet den Feminismus.

War es nun rosé oder war es fliederfarben? Die Farbe der Kostümjacke Angela Merkels bei der Feierstunde zu 90 Jahren Frauenwahlrecht wurde unter BeobachterInnen lebhaft diskutiert. Rosé wäre ein Zeichen für die Girlie-Generation, die gern im Mittelpunkt steht – nur bitte nicht mit Politik. Flieder dagegen könnte ja schon fast an das Lila der Frauenbewegung erinnern.

Dass die Farbfrage so interessant war, liegt daran, dass Merkel inhaltlich zur Frauenfrage nichts zu sagen hat. In ihrer Ansprache formulierte sie nur "Wünsche" und Anekdotisches, das allerdings viel verriet: dass man sie zur CDU-Chefin küren wollte, "damit unsere Töchter auch noch CDU wählen".

Signale für die weibliche Wählerschaft, das ist im Wahljahr '09 die Strategie Angela Merkels. Statt Bekämpfung von Lohnlücken und Diskriminierung betreibt Merkel lieber eine symbolische Offensive für Jungwählerinnen. Mit der jungen Schriftstellerin Jana Hensel etwa verbreitet sich die Kanzlerin in einem großen Zeit-Interview über Feminismus. Oder besser: um den Feminismus herum.

Hier der Wortlaut Merkel: "Wenn man sich zum Feminismus bekennen muss, ist das für manche so, als wolle man sagen, dass man einen strukturellen Nachteil spürt. Viele Frauen empfinden es heutzutage aber nicht mehr als Nachteil, eine Frau zu sein, obwohl es unbestritten noch Nachteile oder Erschwernisse gibt." Ein Übersetzungsversuch: Es gibt Nachteile, aber die will keiner spüren oder gar ansprechen, und deshalb meidet Frau Merkel das Wort Feminismus wie die Pest. Denn dann müsste man ja etwas ändern wollen, zumal wenn man so viel Macht hat wie Angela Merkel.

Und Hensel ist ganz einverstanden. Sie hat keine politische Forderung, denn politische Forderungen sind "total langweilig". Wie überaus bequem für PolitikerInnen: Junge Frauen wollen keine Politik, sie wollen einfach nur verstanden werden. Dass ihr kompliziertes Privatleben von Strukturen wie dem Ehegattensplitting, der Arbeitsmarktpolitik und der frauenfeindlichen Arbeitswelt bestimmt wird? "Total langweilig." Das Kostüm war wohl doch eher rosé. Aber ob das wirklich die Farbe der Wahlsaison '09 wird? Der Trend geht ja schon länger wieder in Richtung Lila.

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Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.

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